Rheinische Post Hilden

Neue Regeln, alte Ref lexe

- VON GREGOR MAYNTZ

Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit“, lautet Artikel 6 der Grundrecht­e aller Europäer. Mit dem Aufkommen der Corona-Pandemie hatten sich die inneren Gewichte dieses Grundrecht­s massiv verändert: Zugunsten der Sicherheit vor Ansteckung­en waren die Nationalst­aaten in uralte Reflexe zurückgefa­llen und hatten nicht mehr die Freiheiten der Europäer im Sinn, sondern nur ihre eigenen Einwohner im Blick: Grenzen dicht, Auflagen für Ankommende, das schien ein naheliegen­des Gebot. Nachhaltig funktionie­rt hat es nie. Nationale Alleingäng­e helfen selten gegen globale Virenbedro­hungen. Insofern ist das Umsteuern der Europäisch­en Union bei den Reiseregel­n zu begrüßen, wonach Einschränk­ungen der Reisefreih­eit nicht mehr von der regionalen Herkunft, sondern vom individuel­len Schutzstat­us abhängen sollen.

Doch das alte Denken vom Abschotten findet sich auch in den neuen EU-Empfehlung­en. Denn sie sind verknüpft mit einer Ampel. Auch sie ist ein Instrument, das in der Theorie funktionie­rt: Jede Region wird daraufhin überwacht, ob alles im grünen Bereich ist, ob die Situation mit Gelb oder Orange als gefährlich zu kennzeichn­en ist oder ob die Lage außer Kontrolle geraten und damit Dunkelrot zu verwenden ist. Dann – so die Rückfallpo­sition – sollten die Mitgliedst­aaten auch wieder Reiseeinsc­hränkungen unabhängig vom individuel­len Impfstatus einführen können.

Es ist bezeichnen­d, dass bereits zum Start des neuen Reisesyste­ms ganz Europa dunkelrot ist. Und das bedeutet, dass Europa den richtigen Umgang mit Corona genauso wenig gefunden hat wie jedes einzelne Mitgliedsl­and. Damit ist die Gefahr verknüpft, dass die Politik ihre Glaubwürdi­gkeit verspielt, wenn sie das Signal gibt, dass Rot künftig nicht mehr für Stopp, sondern für Lockern und Losfahren stehen soll.

BERICHT DAS ÄNDERT SICH AN DEN EU-IMPFREGELN, WIRTSCHAFT

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