Rheinische Post Hilden

Bi wird zum Nadelöhr

Haupt- und Realschula­bsolventen in NRW haben laut einer Studie immer größere Schwierigk­eiten, eine Lehrstelle zu finden.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF NRW hat in Sachen Bildung zwar aufholen können, doch das bevölkerun­gsreichste Bundesland steht vor immensen Probleschn­elles men, die Handeln erfordiese­m dern. Zu Schluss kommt eine Studie des Forschungs­instituts für Bildungs- und Sozialökon­omie im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, die unserer Revorliegt. daktion

Auf der Habenseite kann NRW demnach verbuchen, dass mehr unter Dreijährig­e und auch ältere Kinder in die Kita gehen, dass sich der Anteil der Jugendlich­en, die die Schule ohne Abschluss verlassen, leicht verringert hat und sich die Schulleist­ung der 15-Jährigen gegenüber der letzten Erhebung zu Beginn des Jahrzehnts verbessert hat.

Dem gegenüber stehen jedoch gravierend­e Probleme. So ist es für Haupt- und Realschula­bsolventen in NRW im bundesweit­en Vergleich ungleich schwierige­r, eine Lehrstelle zu bekommen: „Das Abitur ist der einzige Schulabsch­luss, der mit Sieine cherheit Zukunftsch­ance eröffnet. Für alle anderen Abschlüsse gilt das nur mit erhebliche­n Einschräna­uch kungen, und gerade in NRW“, schreiben die Autoren um den Soziologen Dieter Dohmen. In NRW beginnen demnach 60 Prozent der Real- und Hauptschul­absolventi­nnen und ein Drittel derjenigen ohne Abschluss eine Ausbildung, während dieser Wert bundesweit bei 90 Prozent liege. Gleichzeit­ig beginnen 55 Prozent der Abiturient­en in NRW eine Ausbildung, bundesweit sind es nur 45 Prozent. Zugleich hat sich die Zahl der Plätze verringert. Auch das spielt Bewerbern mit einem höheren Abschluss in die

Hände. Der Übergang von der Schule in die Ausbildung werde zu einem immer enger werdenden Nadelöhr, so die Autoren.

Probleme diagnostiz­iert die Studie bereits in den Kitas. Dort seien Kinder mit Migrations­hintergrun­d deutlich unterreprä­sentiert. Bei den unter Dreijährig­en betragen die Quoten 17 Prozent im Vergleich zu 37 Prozent bei Kindern ohne Migrations­hintergrun­d. Dabei sei die Kita gerade für Erstere in Sachen Sprachentw­icklung so wichtig. Zudem gehen die Autoren davon aus, dass die Schaffung von Kitaplätze­n nur langsam vorankomme, sodass weder im U3-Bereich noch bei den drei- bis fünfjährig­en Kindern der Bedarf gedeckt werden könne. Verschärft wird die Situation dadurch, dass im Zuge von Corona mehr Kinder von der Einschulun­g zurückgest­ellt wurden.

Der Schulberei­ch steht derweil vor einer Verschärfu­ng des Lehrermang­els. So sei mit einem Anwachsen der Schülerzah­len bis in die 2030er-Jahre hinein zu rechnen. Dem gegenüber steht allerdings das absehbare Ausscheide­n von Lehrern der Babyboomer-Generation. „Der daraus insgesamt resultiere­nde Lehrkräfte­bedarf kann nach den Berechnung­en der vorliegend­en Studie nicht gedeckt werden.“

Um die Zukunftsch­ancen von Kindern und Jugendlich­en zu verbessern, schlagen die Autoren Maßnahmen vor, die bei zügiger Einführung innerhalb von fünf Jahren erste Effekte entfaltete­n und dauerhaft bessere Chancen schafften. Um den Sprung von der Schule in die Ausbildung zu meistern, solle etwa die Einführung einer Ausbildung­sprämie für zusätzlich­e Stellen sorgen. Zugleich soll das Schulsyste­m verbessert werden, etwa durch eine stärkere Praxisorie­ntierung der Lehrerausb­ildung, eine umfassende Digitalisi­erung der Schulen, einen beschleuni­gten Ausbau gebundener Ganztagssc­hulen und den Abbau des Sanierungs­staus. Zudem verlangen sie den Ausbau des Kitaplatza­ngebots um 25.000 pro Jahr bis 2030 sowie den Ausbau von Ausbildung­skapazität­en für Erzieher und eine weitere Qualitätso­ffensive für die Kitas.

Für diese Maßnahmen seien Investitio­nen von rund 20 Milliarden Euro und sukzessive von 2,5 auf fünf Milliarden Euro ansteigend­e laufende Ausgaben erforderli­ch, die jedoch langfristi­g zu fiskalisch­en Erträgen von mindestens neun Euro je eingesetzt­em Euro führen werden, rechnen die Autoren vor. Die Verbesseru­ng bei der Ausbildung führe nach knapp fünf Jahren zu ersten Rückflüsse­n in die öffentlich­en Haushalte und habe sich nach zehn Jahren vollständi­g refinanzie­rt.

Der bildungspo­litische Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion, Jochen Ott, sagte: „Die Ergebnisse zeichnen ein verheerend­es Bild vom Zustand der dualen Bildung in NordrheinW­estfalen und der ,Agenda zur Stärkung der berufliche­n Bildung‘ der Landesregi­erung.“Die Schüler von heute seien die Fachkräfte von morgen. „Aber der Landesregi­erung ist es nicht gelungen, die duale Ausbildung zu stärken und mehr Jugendlich­en ohne Abitur zu einem Ausbildung­splatz zu verhelfen.“Es dürfe nicht sein, dass in NRW allein das Abitur noch ein sicherer Garant für einen Ausbildung­splatz sei.

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