Alte Russland-Liebe rostet nicht
BERLIN Lars Klingbeil hat ein Problem. Und das heißt Gerhard Schröder. Ausgerechnet der Altkanzler, ohne dessen frühe Förderung der Niedersachse Klingbeil wohl kaum bis zur SPD-Parteispitze aufgestiegen wäre, bringt die Sozialdemokraten in der aktuellen Russland-Ukraine-Krise in die Defensive. Der 43-jährige Klingbeil fing in Schröders Büro in Hannover an, jetzt macht der Putin-Vertraute im hochdotierten Unruhestand seinem Zögling mit umstrittenen Aussagen zum Ukraine-Konflikt das Leben politisch schwer.
Kiew solle mit dem „Säbelrasseln“aufhören, dröhnte Schröder im eigenen Podcast – was nicht nur Unionspolitiker wie Norbert Röttgen angesichts von etwa 130.000 russischen Soldaten, die Wladimir Putin an der Grenze zum Nachbarland aufgestellt hat, für Propaganda pur von „Gas-Gerd“halten. Schröder steht seit Jahren als Energie-Lobbyist auf Putins Lohnliste – und lenkt mit seinen PR-Auftritten für Moskau zum Verdruss der SPD immer wieder auch den Blick auf eine Partei, deren Verhältnis zu Russland vielschichtig ist.
Taugt der von einigen Genossen noch eisern verteidigte BrandtAnsatz vom „Wandel durch Annäherung“bei einem russischen Präsidenten, der die europäische Nachkriegsordnung womöglich gewaltsam zu seinen Gunsten verändern will? Oder sind es genau diese Brücken, die am Ende den Frieden in Kiew und Europa sichern? Für diesen Montag hatte Klingbeil SPD-Politiker aus Regierung, Fraktion und Partei zu einem vertraulichen Russland-Treffen eingeladen, um eine einheitliche Marschroute festzulegen.
Kurz vor Beginn verteidigte Klingbeil im ARD-„Morgenmagazin“die Haltung seiner Partei. „Die Eskalation geht von Russland aus. Wir sind völlig klar, dass alle Optionen auf dem Tisch liegen. Aber wir sind eben auch klar darin, dass es jetzt darum geht, Frieden zu organisieren.“Auf eine Frage zu Schröder sagte der
Parteichef: „Ja, äußern können sich viele, aber entscheiden tun wir als aktuelle SPD-Führung gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz.“
Aus Sicht des Kanzlers weiß die SPD-geführte Regierung, was sie tut: mit allen diplomatischen Mitteln einen Krieg zu verhindern und als vereinter Westen Putin mit der Androhung harter Wirtschaftssanktionen zur Räson zu bringen. Scholz persönlich hat keinen Draht zu Putin – anders als seine Vorgänger Angela Merkel und Schröder. Nur ein einziges Mal telefonierte der Kanzler seit Amtsantritt mit Putin, am 21. Dezember.
Die umstrittene Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2, die die grüne Außenministerin Annalena Baerbock als maximales Druckmittel lieber heute als morgen endgültig kappen würde, titulierte Scholz zunächst als privatwirtschaftliches Projekt ohne geopolitische Bedeutung. Erst beim kürzlichen Besuch von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Berlin korrigierte der Kanzler das. Nord Stream liegt nun mit auf dem Sanktionstisch – was auch beim Besuch von Scholz am nächsten Montag bei US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus Thema sein wird.
Der frühere Außenminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht für Nord Stream 2 bei einer militärischen Aggression Russlands keine Zukunft. „Nord Stream 2 kann nur kommen, wenn es eine friedliche Lösung des aktuellen Konflikts gibt.