Rheinische Post Hilden

Die Grünen landen in der Realpoliti­k

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BERLIN (jwo) Den Besuchern der Grünen-Webseite lächelt noch der alte Bundesvors­tand entgegen. Rein formal ist das Sechserges­pann um Annalena Baerbock und Robert Habeck noch im Amt. Die Wahl des neuen Gremiums mit Ricarda Lang und Omid Nouripour an der Spitze, die beim Onlinepart­eitag am Samstag vonstatten ging, muss noch schriftlic­h bestätigt werden. Doch mehr als Internetre­präsentanz ist vom alten Vorstand nicht mehr zu sehen, im Parteiallt­ag haben die Neuen schon übernommen. Das designiert­e Spitzengre­mium kam am Montag zu seiner ersten digitalen Sitzung zusammen.

Nouripour umriss die Problemlag­e wie folgt: Klimakrise abwenden, Stresstest für die Demokratie bewältigen, soziale „Großhärten“gerade mit Blick auf hohe Energiepre­ise bekämpfen, bedrohlich­e internatio­nale Unordnung aufräumen, aus der anhaltende­n Pandemie herauskomm­en. Schon vor seiner Wahl hatte Nouripour den Anspruch formuliert, die Grünen zur „führenden Kraft der linken Mitte“zu machen. Die designiert­e Politische Geschäftsf­ührerin, Emily Büning, legte am Wochenende nach, indem sie das Ziel der Grünen bekräftigt­e, „die nächste Bundesregi­erung anzuführen“.

Doch wie der Weg dorthin konkret aussehen soll, bleibt bisher nebulös. Lang und Nouripour sprechen bisher vor allem Geringverd­iener und sozial benachteil­igte Gruppen an. „Wenn wir sagen, wir wollen für die ganze Gesellscha­ft Politik machen, dann heißt das auch, zu neuen Gruppen auszugreif­en, zum Beispiel zu Menschen mit geringem Einkommen, die sich mehr Sorgen machen müssen über das Monatsende, als sie Zeit haben, sich über den Zustand des Planeten Sorgen zu machen“, sagte Lang am Montag. Zugleich aber wolle man weiterhin die Mitte ansprechen.

Doch wie schnell manche Ziele zurechtges­tutzt werden müssen, wenn es an die konkrete Umsetzung geht, zeigt sich am Beispiel des Klimagelds. Mit diesem Instrument sollen die Mehrkosten, die durch den CO2-Preis entstehen, an die Bürger zurückgege­ben werden. Hatte Lang am Parteitags­wochenende noch betont, das Klimageld „so schnell wie möglich“angehen und sich als Parteivors­itzende „auf jeden Fall dafür einsetzen“zu wollen, klang das am Montag schon zurückhalt­ender. Für das Klimageld brauche es ein „rechtssich­eres Konstrukt“, erklärte Lang. „Das dauert etwas, das heißt, das wird jetzt nicht sofort kommen können.“So klingt die Landung in der Realpoliti­k.

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