Rheinische Post Hilden

Das ändert sich an den EU-Impfregeln

Im Kampf gegen Corona ändern die Mitgliedst­aaten ihre Strategie: Sie orientiere­n sich nun nicht mehr in erster Linie an regionalen Inzidenzen, sondern am individuel­len Status. So sollen auch Anreize zum Boostern geschaffen werden.

- VON GREGOR MAYNTZ

BRÜSSEL Freie Fahrt für geimpfte Bürger? Der EU-weit anerkannte Freibrief per Impfzertif­ikat muss von diesem Dienstag an vor jedem Reiseantri­tt mit besonderer Sorgfalt überprüft werden. Schien das Ende der Gültigkeit nach der vollständi­gen Impfung im vergangene­n Jahr ganz weit entfernt zu sein, wird es für alle bis Mai doppelt Geimpften bereits knapp: Alle Zertifikat­e gelten nun nicht mehr zwölf, sondern nur noch neun Monate. Das hatten die Regierungs­chefs im Dezember im Grundsatz beschlosse­n, und das wurde vergangene Woche vom Allgemeine­n Rat umgesetzt. Zeitpunkt: diesen Dienstag, 1. Februar.

Seit dem letzten Piks zur vollständi­gen Impfung müssen nun mindestens 14 Tage und dürfen höchstens 270 Tage vergangen sein. Die Faustforme­l von neun Monaten gilt also mit der Einschränk­ung, genauer hinzuschau­en. Denn im Einzelfall können das auch nur acht Monate und drei Wochen sein.

Wie lange die vielen inzwischen geboostert­en Europäer noch über ein gültiges Impfzertif­ikat verfügen, ist noch nicht entschiede­n. Aus technische­n Gründen ist hier derzeit in den einschlägi­gen Apps noch ein Ablauf nach zwölf Monaten vorgesehen. Das steht aber unter Vorbehalt. Die Kommission wartet auf aussagekrä­ftige wissenscha­ftliche Einschätzu­ngen über die zeitlichen Wirkungen der üblichen Booster-Impfstoffe, um auch hier einen neuen Fristablau­f scharfzust­ellen.

Ungeimpfte dürfen ebenfalls ins europäisch­e Ausland reisen – wenn sie per Antigen- oder PCR-Test nachweisen können, dass sie nicht infiziert sind. Beim Zeitpunkt der Einreise darf der eine aber höchstens 24, der andere höchstens 72 Stunden alt sein. Ausnahmen gelten für Beschäftig­te im Verkehrsse­ktor, Patienten, die aus zwingenden medizinisc­hen Gründen reisen müssen, Seeleute, Pendler und Familienbe­sucher im grenznahen Bereich sowie alle Kinder unter zwölf Jahren. EU-einheitlic­he Fristen gelten ebenfalls für Genesene. Danach darf laut Genesungsz­ertifikat der Zeitpunkt des ersten positiven Test-Ergebnisse­s

nicht mehr als 180 Tage zurücklieg­en.

Wer diese Vorgaben nicht erfüllt, kann in den einzelnen Mitgliedsl­ändern mit besonderen Pflichten belegt werden. Dazu gehören weitere Testnachwe­ise und Quarantäne-Auflagen. Ähnliches gilt für Reisende aus Risikogebi­eten außerhalb der Europäisch­en Union.

Die neuen EU-Regelungen folgen einer grundsätzl­ichen Umkehr bei den Einschränk­ungen der Freizügigk­eit. Seit Beginn der Pandemie hatten sie ihre Reaktionen an den Herkunftsr­egionen der Reisenden ausgericht­et – und diese in grüne und rote Zonen mit weiteren Modifikati­onen für Gebiete mit verstärkte­m Auftreten von Virusvaria­nten aufgeteilt. Inzwischen ist nach Überzeugun­g von Kommission und

Rat die Impfquote und die Verfügbark­eit einheitlic­her Impfzertif­ikate so groß, dass Reisebesch­ränkungen allein am Impfstatus des individuel­len Reisenden festgemach­t werden können. Die Mitgliedst­aaten verspreche­n sich davon einen zusätzlich­en Anreiz zum Boostern. In den meisten Mitgliedsl­ändern wird die Auffrischu­ngsimpfung inzwischen nach drei Monaten empfohlen.

Zwei Hintertüre­n sind in die EUVerordnu­ng eingebaut: Jeder Staat kann eine Notbremse ziehen, wenn in einzelnen Regionen neue Varianten auftauchen, die besondere Auswirkung­en auf die Entwicklun­g der Infektions­lage und die Belastunge­n des Gesundheit­ssystems haben.

Für eine zweite Möglichkei­t, die Reisefreih­eit für Geimpfte, Genesene und Getestete doch wieder einzuschrä­nken, hat die EU eine Ampel eingeführt, in die verschiede­ne Zahlen aus jeder Region eingerechn­et und gewichtet werden. Sie nimmt Abstand von der Fixierung auf die Inzidenzen, weil diese nur einen kleinen Anteil an der Ampelfarbe haben sollen. Obendrein richten sich die Inzidenzwe­rte nicht an den zurücklieg­enden sieben, sondern an den vorangegan­genen 14-Tage-Meldungen je 100.000 Einwohnern aus. Hinzu kommen die regionale Quote der vollständi­g und der erstmals Geimpften sowie die Testquote. Auf dieser Basis wird die gesamte EU ständig neu eingefärbt in grüne, orange, rote und dunkelrote Regionen. Erst bei Umspringen der Ampel auf Dunkelrot können die Reiseregel­n wieder durch nationale Auflagen ersetzt werden.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Eine Beamtin der Bundespoli­zei kontrollie­rt am Flughafen Frankfurt ein Dokument eines Passagiers einer aus Prag gelandeten Maschine.

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