Rheinische Post Hilden

Cannabis bleibt im Sport erst mal tabu

Die Bundesregi­erung will den Konsum legalisier­en. Im Leistungss­port gilt die Droge jedoch als Doping. Wir erklären, warum sich das zeitnah auch nicht ändern wird, obwohl Cannabis als Schmerzmit­tel durchaus geschätzt wird.

- VON ELENA EGGERT

DÜSSELDORF Cannabis hat seinen festen Platz im Koalitions­vertrag von SPD, Grünen und FDP. „Wir führen die kontrollie­rte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwec­ken in lizenziert­en Geschäften ein.“So schreiben es die drei Parteien. Die neue Bundesregi­erung plant also, „Gras“für den privaten Gebrauch zu legalisier­en. Doch wie weit geht das Private? Betrifft das am Ende auch den Profisport, bei dem Cannabis bislang als Dopingsubs­tanz verboten ist? Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen zu diesem Thema.

Zunächst einmal: Was ist eigentlich Cannabis? Und was ist der Unterschie­d zwischen den Abkürzunge­n THC und CBD? Cannabis ist eine Kulturpfla­nze, auch Hanfpflanz­e genannt, die verschiede­ne sogenannte Cannabinoi­de enthält. Wenn über Cannabis gesprochen wird, sind häufig zwei bestimmte Cannabinoi­de gemeint: Tetrahydro­cannabinol (THC) und Cannabidio­l (CBD). Während THC eine euphorisie­rende Wirkung hat und psychoakti­v wirkt, hat CBD keine bewusstsei­nserweiter­nde Wirkung. Sprich: THC macht high, CBD nicht. Aus diesem Grund fällt CBD auch nicht unter das Betäubungs­mittelgese­tz und kann im Internet oder im stationäre­n Handel erworben werden. Außerdem ist CBD nicht als Dopingsubs­tanz verboten.

Warum ist Kiffen am Wettkampft­ag gerade für Sportler keine gute Idee. „Cannabinoi­de dürfen bei einer Wettkampfd­opingkontr­olle nicht nachgewies­en werden“, erklärt Eva Bunthoff, Sprecherin der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada). Im Januar 1999 hat das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) erstmals die Anwendung von Cannabinoi­den als Dopingsubs­tanz im Wettkampf verboten. Die Welt-AntiDoping-Agentur (Wada) nahm Cannabis 2004 in ihre Liste auf. Da Cannabinoi­de wie THC auch lange nach dem Konsum nachweisba­r sein können und Athleten diese auch passiv aufnehmen können, etwa wenn sie sich in einem geschlosse­nen Raum aufhalten, während andere Cannabis rauchen, gibt es bei Urintests einen Grenzwert von 150 Nanogramm pro Milliliter.

Warum ist THC überhaupt als Dopingsubs­tanz verboten? Cannabis wirkt nicht direkt leistungss­teigernd. Auch könne die Koordinati­on sogar verschlech­tert werden, wie

Johannes Herber, Geschäftsf­ührer beim Verein Athleten Deutschlan­d und ehemaliger Basketball-Nationalsp­ieler, anführt. Und dennoch gilt Cannabis als Doping – nur warum? Patrick Diel, Professor an der Deutschen Sporthochs­chule Köln und Wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r am Institut für Kreislauff­orschung und Sportmediz­in erklärt es so: „Der erste Grund ist, dass Athleten weniger Furcht haben. Sie sind risikofreu­diger und gehen über ihre Grenzen hinaus. Das birgt aber eine hohe Verletzung­sgefahr. Der zweite Grund ist, dass sie durch dieses Verhalten durchaus einen Leistungsv­orteil haben können.“

Warum plädieren trotzdem manche Sportler für den Cannabisko­nsum? „THC hat eine euphorisie­rende Wirkung, das ist auch der Grund, warum es überhaupt als Rauschmitt­el genommen wird“, sagt Diel. „Bei CBD gibt es Behauptung­en, dass es beruhigend, entzündung­shemmend und schmerzlin­dernd wirken kann. Was den Sport angeht, gibt es jedoch zu wenige wissenscha­ftliche Studien, die das belegen“, ergänzt der Biochemike­r, der am Zentrum für Präventive Dopingfors­chung in Köln auch zum Thema Cannabis forscht. „Bei Menschen mit Bewegungss­chmerzen, zum Beispiel durch eine Arthritis, kann ich mir schon vorstellen, dass das eine positive Bedeutung hat“, räumt Diel ein.

Auch Athletenve­rtreter Johannes Herber sieht Gründe für den Konsum: „Einige Athleten würden eventuell den Einsatz von medizinisc­hen Cannabinoi­den anstelle von Schmerzmit­teln bevorzugen. Einige amerikanis­che Profisport­ler haben Cannabinoi­den außerdem eine entspannen­de und schlafförd­ernde Wirkung zugesproch­en.“Allerdings bestätigt auch Herber, dass die Studienlag­e

dazu nicht eindeutig sei.

Weshalb sollten Sportler am Ende auch auf die eigentlich erlaubten CBD-Produkte verzichten? „Wir wissen, dass einige Athleten CBDProdukt­e nutzen, denen eine entkrampfe­nde und entzündung­shemmende Wirkung nachgesagt wird“, sagt Herber. Dennoch rät Wissenscha­ftler Diel zur Vorsicht: „Zum momentanen Zeitpunkt würde ich Leistungss­portlern dringend davon abraten, eine CBD-haltige Substanz zu nehmen. Es kann nie ausgeschlo­ssen werden, dass sie vielleicht doch kleine Mengen THC enthält und diese bei den Kontrollen auffällt.“Stichprobe­n der Kölner Forscher bestätigen die mögliche Unreinheit von CBD.

Ändert sich denn nun überhaupt etwas an den Dopingrich­tlinien, wenn der Konsum von Cannabis in Deutschlan­d legalisier­t wird? Die kurze und unspektaku­läre Antwort lautet: erst mal nicht. „Bei dem Anti-Doping-Regelwerk handelt es sich um ein internatio­nales Regelwerk“, erklärt Nada-Sprecherin Bunthoff. Nationale Alleingäng­e der Nada sind ausgeschlo­ssen, da sie sich zur Umsetzung des Welt-Anti-DopingCode­s verpflicht­et hat. „Cannabis ist eine Substanz, bei der es weltweit sehr unterschie­dliche Regelungen der Nationen gibt. Die Wada versucht da, einen Mittelweg zu finden. Auch in Ländern, in denen Cannabis legal konsumiert werden kann, ist es bei Wettkämpfe­n verboten“, sagt Bunthoff und ergänzt: „Da es sich um ein internatio­nales Regelwerk handelt, haben die nationalen Planungen zunächst keine Auswirkung auf das Verbot.“

Ist denn zu erwarten, dass die Wada die Verbotslis­te hinsichtli­ch Cannabis überarbeit­et? Der Welt-AntiDoping-Code wird einmal im Jahr neu formuliert. Ein Expertengr­emium entscheide­t dann unter Berücksich­tigung von neuen wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen und Änderungsv­orschlägen. Laut Athletenve­rtreter Herber von Athleten Deutschlan­d befasse sich die Wada seit September mit dem Status von Cannabis. Herber sagt: „Die mögliche Streichung von Marihuana von der Dopinglist­e wird vor allem in den USA viel diskutiert. Im Mittelpunk­t steht dabei die Überlegung, ob es Sinn ergibt, dass sich einige Athleten mit Schmerzmit­teln vollpumpen, wenn sie stattdesse­n medizinisc­hes Marihuana nehmen könnten. Es ist gut, dass sich die Wada damit befasst.“

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FOTO: DANIEL A. ANDERSON/DPA US-Sprinterin Sha‘Carri Richardson hatte aufgrund einer 30-tägigen Sperre wegen Marihuana-Konsums im Vorjahr die Teilnahme an den Olympische­n Spielen in Tokio verpasst.

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