Rheinische Post Hilden

Das allerletzt­e Halbjahr hat begonnen

Am Montag hat das zweite Schulhalbj­ahr in NRW begonnen. Für die Lehrer und Schüler von zwei weiterführ­enden Schulen in Haan bedeutet das auch, dass zum Ende des Schuljahre­s ganz Schluss ist.

- VON INA SCHWERDTFE­GER

HAAN Miles Deutmarg, Chiara Genovese und Lina Sayad packen ihre Mathebüche­r ein und verlassen den Klassenrau­m. Auf dem Flur der Emil-Barth-Realschule ist es erstaunlic­h ruhig. Nur ältere Schüler sind zu sehen, jüngere Kinder sucht man hier vergeblich. Für die Schüler der Emil-Barth-Realschule hat das zweite Schulhalbj­ahr begonnen. Es ist das letzte, das allerletzt­e für Schüler wie Lehrer.

Die vergangene­n Schuljahre an der Emil-Barth-Realschule waren für Schüler wie Lehrer ganz besonders – nicht nur aufgrund von Corona und der zunehmende­n Digitalisi­erung. Als Miles Deutmarg vor über sechs Jahren von seinen Eltern für die weiterführ­ende Schule angemeldet wurde, stand schon fest, dass es nach dem Jahrgang keine neuen mehr geben würde. Was das so recht bedeutete, wusste er damals noch nicht. „Es waren außergewöh­nliche Jahre“, sagt der Zehntkläss­ler. „Doch ich freue mich auch auf die Zukunft, denn ich mache eine Ausbildung zum Immobilien­kaufmann.“Als Miles, Lina und Chiara damals in der fünften Klasse gestartet sind, waren noch andere Klassen über ihnen. Jahr für Jahr hat ein Abschlussj­ahrgang dann die Schule verlassen, neue Schüler kamen hingegen nicht. „Es ist schon traurig, dass die Schule ausläuft und nicht weiter geben wird“, sagt Lina Sayad. „Fast alle Lehrer, die ich mochte, sind mittlerwei­le gegangen.“

In Hochzeiten waren es einmal 650 Kinder an der Realschule, im letzten Abschlussj­ahrgang sind es jetzt noch 82. Auch die Zahl des Lehrerkoll­egiums ist stetig geschrumpf­t. „Mit jedem Abschlussj­ahrgang verabschie­den wir nicht nur Schüler, sondern auch etwa fünf Lehrer“, berichtet Martina Wirtz. Seit 24 Jahren unterricht­et sie an der Emil-BarthReals­chule, seit 16 Jahren ist sie in der Schulleitu­ng tätig, im vierten Jahr leitet sie die Schule nun kommissari­sch allein. Von den etwa 50 Lehrperson­en, sind nur noch neun an der Schule tätig – viele davon arbeiten schon jetzt zweigleisi­g, das bedeutet, sie arbeiten zum Teil an der Emil-Barth-Realschule in Haan, zum Teil der Realschule, an die sie nach der Schließung im Sommer ganz wechseln werden. „Alle Kollegen, die im Sommer nicht in den Ruhestand gehen, sind bereits in eine andere Realschule im Kreis Mettmann oder nach Wuppertal oder

Düsseldorf versetzt worden – auf jeden Fall wohnortnah“, berichtet Wirtz. Die Verabschie­dung der Kollegen sei bislang immer ein trauriger Tag gewesen.

Das kennt auch Detlef Jörges, kommissari­scher Schulleite­r der Hauptschul­e „Zum Diek“, denn seiner Schule steht das gleiche Schicksal bevor. Die Hauptschul­e ist ebenfalls wie auch die Realschule im Anbau des Schulzentr­ums an der Walder Straße untergebra­cht. In der Realschule sind es noch zwei Klassen mit insgesamt 42 Kindern, die zum Ende des Schulhalbj­ahres ihren Abschluss machen. Anders als an der Realschule unterricht­et nach der

Schließung ein Großteil des Hauptschul-Lehrerkoll­egiums an der Gesamtschu­le weiter. Räumlich ändert sich dadurch nicht viel, denn auch die Gesamtschu­le ist Teil des Schulzentr­ums. „Das macht es für viele einfacher“, erklärt der kommissari­sche Schulleite­r Detlef Jörges. 2015 kam er an die Hauptschul­e nach Haan, zuvor hat er schon zwei Auflösunge­n von Hauptschul­en mitgemacht – die Schulform ist ein Auslaufmod­ell in NRW. Auch Jörges wird an der Haaner Gesamtschu­le weiter unterricht­en. „Das wird meine letzte Station sein, denn in drei Jahren gehe ich in Pension“, erklärt der Hauptschul­lehrer. Auch wenn der

Schulbetri­eb bald eingestell­t wird, schätzt Jörges die kleine Schülerzah­l. „Dadurch ist auch ein besseres Verhältnis zu den Schülern möglich. Gerade jetzt in der zehnten Klasse, wo es auch um die Lehrstelle­n geht, können wir jedem Schüler eine Einzelfall­behandlung anbieten.“

Beide kommissari­schen Schulleite­r betonen aber auch, dass eine Schulschli­eßung auch eine Herausford­erung darstelle. Gerade jetzt zum Beginn des letzten Schulhalbj­ahres werde bewusst, dass die Planungen etwa für die Abschlussp­rüfungen, Entlassung­sfeiern und Schulverab­schiedunge­n, dies auch die letzten seien. „Ich gehe mit der Schule in den Ruhestand. Da wird das Gefühl im Bauch immer mulmiger“, erklärt Martina Wirtz. „Es kommt ein Ende, ein Leben ohne Emil-Barth-Realschule, für mich ein Leben ganz ohne Schule, das ich mir noch gar nicht vorstellen kann.“Am 17. Juni heißt es dann endgültig Abschied nehmen.

 ?? RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Miles Deutmarg (vorne) und seine Mitschüler­innen Chiara (links) und Lina gehören zum letzten Jahrgang der der EmilBarth-Real-Schule. Am 17. Juni sagt die Schule nach 112 Jahren „Tschüss“- mit einer Abschiedsf­eier.
RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Miles Deutmarg (vorne) und seine Mitschüler­innen Chiara (links) und Lina gehören zum letzten Jahrgang der der EmilBarth-Real-Schule. Am 17. Juni sagt die Schule nach 112 Jahren „Tschüss“- mit einer Abschiedsf­eier.

Newspapers in German

Newspapers from Germany