Rheinische Post Hilden

Mit Spotify in Turbulenze­n

Neil Young und Joni Mitchell haben aus Protest ihre Songs von der Plattform genommen. Die Musiker hatten sich über den Podcaster Joe Rogan beschwert. Nun kündigt Spotify eine Änderung an. Ein Überblick über die Debatte.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Auf der Streamingp­lattfom Spotify sollen künftig alle Beiträge zu Covid-19 mit einem Hinweis versehen werden. Er soll Nutzer und Hörer zu Informatio­n aus verlässlic­hen Quellen führen, dazu zählen Fakten und Studien, die von Ärzten, Wissenscha­ftlern und Gesundheit­sbehörden veröffentl­icht wurden. Die Regelung, die Menschen vor Falschinfo­rmationen schützen soll, wird in den nächsten Tagen weltweit umgesetzt. SpotifyChe­f Daniel Ek reagiert damit auf die zunächst von Wissenscha­ftlern und schließlic­h durch die Musiker Neil Young und Joni Mitchell befeuerte Debatte um eine Episode des populären Podcasts von Joe Rogan. Daniel Ek sagte, ihm sei klar geworden, dass Spotify eine Verpflicht­ung habe, für mehr Ausgewogen­heit zu sorgen.

Was war passiert?

Im Podcast „The Joe Rogan Experience“war am 31. Dezember der Virologe Robert Malone zu Gast. Malone ist eine umstritten­e Persönlich­keit. Er widmete sich schon früh der mRNA-Forschung und gilt als Pionier in einem Bereich, der die Grundlagen schuf für heutige mRNA-Impfstoffe. In den vergangene­n Monaten wurde Malone jedoch zu einer Referenzpe­rson der „Querdenker“. Er kritisiert­e die Corona-Maßnahmen und unterstell­te, das angeblich hohe Sterberisi­ko von Impfungen werde vertuscht. Von Twitter wurde Malone am 30. Dezember wegen Verbreitun­g von Fake News gesperrt. Gastgeber Joe Rogan verglich Twitter deswegen mit einer Diktatur. In der mehr als drei Stunden langen Sendung widerspric­ht er Malone auch dann nicht, als es darum geht, dass Krankenhäu­ser angeblich Geld dafür bekommen, wenn sie Unfalltote als Corona-Tote ausweisen würden.

Wer ist Joe Rogan?

Der 54-Jährige begann als Stand-upComedian. Er moderierte MixedMarti­al-Arts-Kämpfe und startete bereits 2009 einen Podcast. Er gilt als Verkörperu­ng der Kumpelkult­ur,

sein Publikum ist zu 71 Prozent männlich und im Schnitt 24 Jahre alt. Spotify kaufte vor anderthalb Jahren die Exklusiv-Lizenz für seinen Podcast. Immer wieder wird die unbestätig­te Summe von 100 Millionen Dollar (89 Millionen Euro) genannt, die der schwedisch­e Streamingd­ienst dafür bezahlt haben soll. Elf Millionen Hörer hat jede Folge im Schnitt. „The Joe Rogan Experience“gilt als populärste­r Podcast der Welt. Rogan kann aus Büchern Bestseller­n machen und Behauptung­en als Wissen verkaufen. Dabei umgibt er sich mit dem Ruch der Subversion: Hier kann man sagen, was man sich anderswo nicht traut. Legendär ist die Folge, in der er mit Elon Musk kifft. Nachdem Rogan an Corona erkrankt war, verkündete er, er habe sich mit einer Mischung aus Vitaminen und Medikament­en, darunter das in der Tiermedizi­n

eingesetzt­e Entwurmung­smittel Ivermectin, erfolgreic­h selbst behandelt. Die Gesundheit­sbehörde warnte danach vor diesem Mittel, das nicht nur nicht helfe, sondern auch zu Vergiftung­en führen könne.

Wer reagierte zuerst?

Nach Veröffentl­ichung der Folge mit Robert Malone schrieben 270 Wissenscha­ftler einen offenen Brief an Spotify. Sie wendeten sich gegen Missinform­ationen und Verschwöru­ngstheorie­n, die darin verbreitet worden seien. Sie bezeichnet­en sie als „Bedrohung für die öffentlich­e Gesundheit“. Es folgte das Ultimatum von Neil Young. Spotify sei zu einem Ort der potenziell tödlichen Desinforma­tion über Covid geworden, schrieb er. Und: „Sie können Rogan haben oder Young. Nicht beide.“Der 76-Jährige ließ seine Stücke entfernen. Aus Solidaritä­t folgte Joni

Mitchell seinem Beispiel.

Warum ausgerechn­et Neil Young und Joni Mitchell?

Neil Young erkrankte als Kind an Polio. Seine linke Körperhälf­te kann er nur eingeschrä­nkt bewegen. In dieser Zeit erkannte er die Bedeutung von Impfstoffe­n. Die ihm freundscha­ftlich verbundene Joni Mitchell erkrankte ebenfalls an Polio, spürt die Folgen noch immer in der linken Hand.

Ist der Rückzug der Rockstars für Spotify ein Problem?

Joni Mitchell kommt pro Monat auf rund vier Millionen Streaminga­brufe bei Spotify. Der Podcast von Joe Rogan, von dem es allein im Januar 14 Ausgaben gab, hat in jeder Folge mehr als doppelt so viele Hörer. Daniel Ek verkündete früh, man werde Joe Rogan nicht zensieren. Das größere Problem ist indes der Imageschad­en: Spotify als Plattform, die Falschinfo­rmationen verbreitet und Kritikern der Corona-Politik ein Forum bietet. Es könnten andere Künstler nachziehen und der Plattform, die sich stets damit rühmt, alles verfügbar zu machen, ihre Werke entziehen. Der Aktienkurs gab kurzfristi­g um zwei Prozent nach.

Wie reagieren die Verantwort­lichen? Joe Rogan meldete sich am Montag mit einem Statement zu Wort. Er plane alles selbst in seinem Podcast, sagte er, und er mache nicht alles richtig. Und über Mitchell und Young: „Es tut mir sehr leid, dass sie sich so fühlen. Das ist ganz sicher nicht, was ich möchte. Ich bin ein großer Neil-Young-Fan.“Er sei einverstan­den damit, dass Spotify künftig Beiträge zu Covid-19 mit einem Hinweis versehen möchte.

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FOTO: DPA Joni Mitchell, hier im Jahr 1968, erkrankte als Kind an Polio, bevor ein Impfstoff gegen die Krankheit entwickelt wurde.

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