Mit Spotify in Turbulenzen
Neil Young und Joni Mitchell haben aus Protest ihre Songs von der Plattform genommen. Die Musiker hatten sich über den Podcaster Joe Rogan beschwert. Nun kündigt Spotify eine Änderung an. Ein Überblick über die Debatte.
Auf der Streamingplattfom Spotify sollen künftig alle Beiträge zu Covid-19 mit einem Hinweis versehen werden. Er soll Nutzer und Hörer zu Information aus verlässlichen Quellen führen, dazu zählen Fakten und Studien, die von Ärzten, Wissenschaftlern und Gesundheitsbehörden veröffentlicht wurden. Die Regelung, die Menschen vor Falschinformationen schützen soll, wird in den nächsten Tagen weltweit umgesetzt. SpotifyChef Daniel Ek reagiert damit auf die zunächst von Wissenschaftlern und schließlich durch die Musiker Neil Young und Joni Mitchell befeuerte Debatte um eine Episode des populären Podcasts von Joe Rogan. Daniel Ek sagte, ihm sei klar geworden, dass Spotify eine Verpflichtung habe, für mehr Ausgewogenheit zu sorgen.
Was war passiert?
Im Podcast „The Joe Rogan Experience“war am 31. Dezember der Virologe Robert Malone zu Gast. Malone ist eine umstrittene Persönlichkeit. Er widmete sich schon früh der mRNA-Forschung und gilt als Pionier in einem Bereich, der die Grundlagen schuf für heutige mRNA-Impfstoffe. In den vergangenen Monaten wurde Malone jedoch zu einer Referenzperson der „Querdenker“. Er kritisierte die Corona-Maßnahmen und unterstellte, das angeblich hohe Sterberisiko von Impfungen werde vertuscht. Von Twitter wurde Malone am 30. Dezember wegen Verbreitung von Fake News gesperrt. Gastgeber Joe Rogan verglich Twitter deswegen mit einer Diktatur. In der mehr als drei Stunden langen Sendung widerspricht er Malone auch dann nicht, als es darum geht, dass Krankenhäuser angeblich Geld dafür bekommen, wenn sie Unfalltote als Corona-Tote ausweisen würden.
Wer ist Joe Rogan?
Der 54-Jährige begann als Stand-upComedian. Er moderierte MixedMartial-Arts-Kämpfe und startete bereits 2009 einen Podcast. Er gilt als Verkörperung der Kumpelkultur,
sein Publikum ist zu 71 Prozent männlich und im Schnitt 24 Jahre alt. Spotify kaufte vor anderthalb Jahren die Exklusiv-Lizenz für seinen Podcast. Immer wieder wird die unbestätigte Summe von 100 Millionen Dollar (89 Millionen Euro) genannt, die der schwedische Streamingdienst dafür bezahlt haben soll. Elf Millionen Hörer hat jede Folge im Schnitt. „The Joe Rogan Experience“gilt als populärster Podcast der Welt. Rogan kann aus Büchern Bestsellern machen und Behauptungen als Wissen verkaufen. Dabei umgibt er sich mit dem Ruch der Subversion: Hier kann man sagen, was man sich anderswo nicht traut. Legendär ist die Folge, in der er mit Elon Musk kifft. Nachdem Rogan an Corona erkrankt war, verkündete er, er habe sich mit einer Mischung aus Vitaminen und Medikamenten, darunter das in der Tiermedizin
eingesetzte Entwurmungsmittel Ivermectin, erfolgreich selbst behandelt. Die Gesundheitsbehörde warnte danach vor diesem Mittel, das nicht nur nicht helfe, sondern auch zu Vergiftungen führen könne.
Wer reagierte zuerst?
Nach Veröffentlichung der Folge mit Robert Malone schrieben 270 Wissenschaftler einen offenen Brief an Spotify. Sie wendeten sich gegen Missinformationen und Verschwörungstheorien, die darin verbreitet worden seien. Sie bezeichneten sie als „Bedrohung für die öffentliche Gesundheit“. Es folgte das Ultimatum von Neil Young. Spotify sei zu einem Ort der potenziell tödlichen Desinformation über Covid geworden, schrieb er. Und: „Sie können Rogan haben oder Young. Nicht beide.“Der 76-Jährige ließ seine Stücke entfernen. Aus Solidarität folgte Joni
Mitchell seinem Beispiel.
Warum ausgerechnet Neil Young und Joni Mitchell?
Neil Young erkrankte als Kind an Polio. Seine linke Körperhälfte kann er nur eingeschränkt bewegen. In dieser Zeit erkannte er die Bedeutung von Impfstoffen. Die ihm freundschaftlich verbundene Joni Mitchell erkrankte ebenfalls an Polio, spürt die Folgen noch immer in der linken Hand.
Ist der Rückzug der Rockstars für Spotify ein Problem?
Joni Mitchell kommt pro Monat auf rund vier Millionen Streamingabrufe bei Spotify. Der Podcast von Joe Rogan, von dem es allein im Januar 14 Ausgaben gab, hat in jeder Folge mehr als doppelt so viele Hörer. Daniel Ek verkündete früh, man werde Joe Rogan nicht zensieren. Das größere Problem ist indes der Imageschaden: Spotify als Plattform, die Falschinformationen verbreitet und Kritikern der Corona-Politik ein Forum bietet. Es könnten andere Künstler nachziehen und der Plattform, die sich stets damit rühmt, alles verfügbar zu machen, ihre Werke entziehen. Der Aktienkurs gab kurzfristig um zwei Prozent nach.
Wie reagieren die Verantwortlichen? Joe Rogan meldete sich am Montag mit einem Statement zu Wort. Er plane alles selbst in seinem Podcast, sagte er, und er mache nicht alles richtig. Und über Mitchell und Young: „Es tut mir sehr leid, dass sie sich so fühlen. Das ist ganz sicher nicht, was ich möchte. Ich bin ein großer Neil-Young-Fan.“Er sei einverstanden damit, dass Spotify künftig Beiträge zu Covid-19 mit einem Hinweis versehen möchte.