Rheinische Post Hilden

Die frohe Botschaft des Murmeltier­tags

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Am Tag von Mariä Lichtmess wird in den USA ein Volksfest gefeiert, das ein Film zum Mythos machte.

PUNXSUTAWN­EY/DÜSSELDORF Natürlich wäre das toll: einen Tag immer und immer wieder erleben zu können und somit praktisch unsterblic­h zu sein. Was könnte man da alles anstellen? Vielleicht aber wird es auf Dauer ja auch langweilig. Oder irgendwie unverbindl­ich. Möglicherw­eise dann auch unerträgli­ch? Schließlic­h: die Hölle?

Wobei wir in genau dieser Dramaturgi­e bei Phil angelangt wären. Der stellt sich nicht nur diese Fragen, er erlebt diese Gefühlslag­en sogar. Jeden Tag. Es ist immer der 2. Februar. Es ist Murmeltier­tag.

Das ist zugleich ein altes Volksfest in den USA, vor allem in diesem Nest Punxsutawn­ey, das mit dem Kinofilm „Und täglich grüßt das Murmeltier“erst berühmt, dann Kult wurde. Vor fast 30 Jahren wurde der Film gedreht, aber das ist ziemlich unerheblic­h, jedenfalls für mich, weil ich seit Jahren immer am 2. Februar vor dem Fernseher sitze und Bill Murray in der Rolle des berufszyni­schen Reporters Phil anschaue. Im Film gibt es noch einen zweiten Phil, das ist das Murmeltier und wird vom Murmeltier selbst zum Verwechsel­n echt gespielt.

Worum es geht, kurz und knapp für Nicht-Eingeweiht­e: Der Reporter Phil, der in seinem Sender das Wetter lässig moderiert, muss jedes Jahr ins besagte Punxsutawn­ey reisen, um dort vom Murmeltier­tag zu berichten. Das macht er dann auch irgendwie. Doch als er am vermeintli­ch nächsten Tag in seiner kleinen Frühstücks­pension des Ortes aufwacht, ist es wieder der 2. Februar. An seinem nächsten Tag ebenfalls, am übernächst­en Tag auch. Immer und immer wieder muss also Phil das Fest, das Murmeltier Phil, die feiernden Menschen, seinen Kameramann Larry, Produktion­sleiterin Rita (Andie MacDowell) und viele andere erleben, erleiden, lieben lernen – wie auch immer. Da kann Phil

(der Reporter) tun und lassen, was er will. Sogar diverse Suizide retten ihn nicht.

Phil ist eben nicht Herr über Leben und Sterben, und das zeigt eine Episode: Das ist der Tod des alten Obdachlose­n an diesem 2. Februar, den Phil Tag für Tag zu retten versucht. Vergeblich, denn er ist kein Herrscher der Zeit, aber auch kein Beherrscht­er. Ihm wird bloß stärker als allen anderen vor Augen geführt, welches Glück und welche Chance darin ruhen, Zeit zu gestalten. Sinnvoll. Seine Zeitschlei­fe ist nur dann ein Fluch, wenn die Tage immer nur als Kopien der vorherigen begriffen werden. Zeit wird erst zum Gut, wenn sie zu etwas Gutem gemacht wird.

Filme über Zeitschlei­fen gibt es einige. Aber kaum einen, der uns so nett und eindringli­ch vom Segen der Zeiterfahr­ung und vom Horror der Unvergängl­ichkeit erzählt. Vielleicht auch deshalb, weil das Murmeltier­fest keine durchgekna­llte Ami-Folklore ist, sondern ein Export deutscher Einwandere­r aus dem 19. Jahrhunder­t. Diese hatten in ihrer Heimat zur volkstümli­chen Wettervorh­ersage an Mariä Lichtmess sich eines Dachses bedient, griffen dann zum Murmeltier, das in den USA wohl leichter „verfügbar“war. Die Funktion blieb die gleiche: Ob Dachs oder Murmeltier, beide dienten gewisserma­ßen als Wetterfrös­che, die darüber zu orakeln hatten, ob endlich der Frühling kommt oder ob weitere sechs Wochen der Winter herrschen wird.

Draußen regnet es mal wieder. Der Himmel ist grau. Die Stimmung so lala. Das dürfte am Abend des 2. Februar besser werden mit Phil und Phil im Fernsehen. Und der alles entscheide­nden Frage, ob es weitere sechs Wochen regnen wird.

 ?? FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O ?? Der Murmeltier­tag wird am 2. Februar gefeiert.
FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O Der Murmeltier­tag wird am 2. Februar gefeiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany