Rheinische Post Hilden

Der moralische Druck nach Butscha

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Die Bilder der Gräueltate­n von Butscha sind kaum zu ertragen. Es sind Kriegsverb­rechen gegen wehrlose Zivilisten. Das Leid ist übergroß, der Pfad zurück in die zivilisier­te Welt scheint für Wladimir Putins Russland derzeit kaum noch zu beschreite­n. Was kann die deutsche Politik dem noch entgegense­tzen? Bundeskanz­ler Olaf Scholz trat am Sonntag vor die Presse und kündigte weitere Sanktionen im Kreise der europäisch­en Verbündete­n an. Und sprach von weiteren Waffenlief­erungen aus Deutschlan­d in die Ukraine. Hier muss Deutschlan­d deutlich nachlegen, auch bei schweren Waffen. Die Warnung vor einer Eskalation der militärisc­hen Situation in der Ukraine hat sich bereits erübrigt. Es gilt, schnell zu klären, warum sich Lieferunge­n verzögern oder gar ausbleiben. Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht wirkt, als hätte sie die Lage nicht im Griff, weder kommunikat­iv noch logistisch. Wenn sie ihr Haus nicht bestellen kann, dann ist sie falsch an diesem Platz. Kanzler Scholz sollte sich das nicht allzu lange anschauen.

Der Druck wächst, auch die russischen Energielie­ferungen auf den Prüfstand zu stellen. Polen etwa weist mit dem Finger nach Deutschlan­d und will selbst die russischen Importe zum Jahresende hin beenden. Ein überstürzt­es Handeln wäre falsch und würde das eigene Land zum Nachteil aller schwächen, so die Argumentat­ion der Regierung. Die Begründung ist nicht von der Hand zu weisen. Für die Protagonis­ten – den Kanzler, den Wirtschaft­s- und den Finanzmini­ster – wird allerdings der moralische Druck angesichts der Gräuel immer größer. Doch wenn sie sich für diesen Weg entschiede­n haben, um Schaden vom eigenen Land abzuwenden, dann sollten sie ihn immer wieder gut begründen. Und eine Alternativ­e erarbeiten. Denn bisher haben die westlichen Sanktionen Putin von gar nichts abgehalten.

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