Der Druck auf die Bundesregierung steigt
BERLIN Die Bilder aus Butscha haben auch für Entsetzen in der Bundesregierung gesorgt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von „furchtbaren und grauen-erregenden Aufnahmen“und forderte Russland auf, in einen Waffenstillstand einzuwilligen und die Kampfhandlungen einzustellen. Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) sprachen von russischen Kriegsverbrechen und verurteilten diese aufs Schärfste.
Die Kriegsgräuel erhöhen den Druck auf den Westen, schnell neue Sanktionen gegen Russland zu beschließen. Auch die Bundesregierung
sieht sich Forderungen nach einer härteren Gangart gegenüber Russland ausgesetzt, besonders nach einem Embargo der russischen Importe von Gas und Öl. Doch die Ampelkoalition bleibt bei ihrer Linie: kein sofortiger Importstopp, stattdessen eine beschleunigte, schrittweise Lösung aus der russischen Energieabhängigkeit.
Bereits in den kommenden Tagen sollen jedoch neue Strafmaßnahmen gegen Russland beschlossen werden, wie ein Regierungssprecher am Montag sagte. Das neue Sanktionspaket soll sowohl innerhalb der Regierung als auch im Kreis der EUund G7-Staaten eng abgestimmt werden. Details wurden nicht bekannt.
Bei der Frage nach einem Energie-Embargo gehen in den Ampelfraktionen die Meinungen allerdings auseinander. „Ich persönlich bin der Meinung, dass wir ein Embargo verhängen sollten und sich angesichts der Gräueltaten Russlands in der Ukraine die Frage bald sowieso nicht mehr stellt“, sagte die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, unserer Redaktion.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Dröge, argumentierte dagegen auf Linie der Bundesregierung. Wegen der „grauenhaften Kriegsverbrechen in Butscha“werde es weitere scharfe Sanktionen brauchen. „Es ist sehr gut, dass Robert Habeck gleichzeitig jeden Tag daran arbeitet, dass wir so schnell wie möglich unabhängig werden von fossilen Importen aus Russland. Damit haben wir de facto ein Embargo beschlossen, das wir dann langfristig durchhalten können“, sagte Dröge unserer Redaktion.
Auch in der SPD ist man zögerlich. „Ein sofortiger Stopp hätte immense
Folgen“, warnte SPD-Chefin Saskia Esken nach einer Klausurtagung des Parteivorstands. Sie äußerte sich erschüttert über die Bilder toter Zivilistinnen und Zivilisten in zuvor von russischen Truppen besetzten ukrainischen Orten.
Die Vize-Vorsitzende der SPDBundestagsfraktion, Verena Hubertz, begrüßte zwar schärfere Sanktionen, nahm aber vor allem russische Unternehmen im Ausland in den Blick. „Angesichts der Gräueltaten in Butscha brauchen wir verschärfte Sanktionen gegen Putins Energiesektor. Der russische Atomriese Rosatom agiert weiterhin weltweit und erwirtschaftet Milliarden. Hier müssen wir nachschärfen“, forderte Hubertz.
Der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat im Fall eines Embargos vor harten wirtschaftlichen Konsequenzen in Deutschland gewarnt. „Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der grauenvollen Nachrichten über Kriegsverbrechen steht außer Frage, dass wir die Abhängigkeit von Russland im Energiebereich beenden müssen“, sagte Djir-Sarai unserer Redaktion. „Ein sofortiger Importstopp für Erdgas aus Russland würde hierzulande allerdings zu erheblichen Problemen für die Wirtschaft führen und zahlreiche Arbeitsplätze kosten, da darf man sich keine Illusionen machen“, betonte der FDPPolitiker.
„Ich persönlich bin der Meinung, dass wir ein Embargo verhängen sollten“Marie-Agnes Strack-Zimmermann FDP