Rheinische Post Hilden

Der Triumphato­r

Unerwartet klar gewinnt Ungarns Regierungs­chef Viktor Orbán die Parlaments­wahl – und erhält Glückwünsc­he von Wladimir Putin. Trotz der Zweidritte­lmehrheit erwarten Experten wachsende innenpolit­ische Probleme.

- VON THOMAS ROSER

BUDAPEST/BELGRAD Ein Meer von filmenden Mobiltelef­onen reckte sich Ungarns Wahltriump­hator entgegen. „Viktor, Viktor!“, skandierte­n seine Anhänger, als der alte und neue Regierungs­chef Viktor Orbán mit heiserer Stimme auf der Wahlparty seiner Fidesz-Partei seinen Siegesgefü­hlen freien Lauf ließ: „Wir haben einen riesigen Sieg errungen, so groß, dass er sogar vom Mond, aber sicherlich von Brüssel aus zu sehen ist!“

Ein knappes Rennen hatten die Meinungsfo­rscher trotz des Umfragevor­sprungs der Fidesz-Partei bei der vom Ukraine-Krieg überschatt­eten Parlaments­wahl vorhergesa­gt. Ungewohnt nervös hatte selbst der erfahrene Seriensieg­er vor dem Urnengang am Sonntag gewirkt. Erstmals traten die in einem gemeinsame­n Bündnis von links bis rechts geeinten Opposition­sparteien gemeinsam gegen ihn an. „Es kann alles passieren“, hatte Orbán vergangene Woche noch geunkt.

Doch „Ungarns ewiger Orbán“bleibt seinen begeistert­en oder restlos deprimiert­en Landsleute­n auch noch eine fünfte Amtsperiod­e erhalten: Mit 53 Prozent der Stimmen sicherte sich seine 2010 amtierende Fidesz-Partei zum vierten Mal in Folge eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Von einer „Nacht des Glücks“schwärmte der Regierungs­chef: „Wir sehen ziemlich gut aus, wir sehen immer besser aus: Vielleicht haben wir noch nie so gut ausgesehen wie heute.“Glückwünsc­he gab es vom russischen Präsidente­n Wladimir Putin: Die Weiterentw­icklung der bilaterale­n Partnersch­aft entspreche trotz der schwierige­n internatio­nalen Lage „voll und ganz den Interessen der Völker von Russland und Ungarn“, sagte Putin nach Angaben des Kreml.

Wundenleck­en war hingegen in den Reihen der konsternie­rten Opposition angesagt. „Wir haben alles richtig gemacht“, versichert­e ihr gescheiter­ter Spitzenkan­didat Péter Márki-Zay: „Aber nach zwölf Jahren Gehirnwäsc­he kann Orbán in Ungarn immer jede Wahl gewinnen.“

Der Analyst Bulcsu Hunyadi vom Institut Political Capital in Budapest nannte mehrere Gründe für Orbáns unerwartet klaren Triumph. Zum einen habe Orbáns Botschaft von der angebliche­n Wahl zwischen Krieg und Frieden bei den Wählern offensicht­lich mehr Gehör gefunden als die Kritik der Opposition am Putin-Freund. Ein weiterer Grund sei die Fähigkeit von Fidesz, „den öffentlich­en Diskurs mit dem Mediennetz­werk der Partei zu kontrollie­ren“. Im Wahlkampf habe die Regierungs­partei zudem von ihren immensen, „aus öffentlich­en Mitteln gespeisten Finanzress­ourcen“profitiert: „Hinzu kommt ein Wahlsystem, das Fidesz klar bevorzugt.“

Bei der Analyse der Resultate wird laut Hunyadi allerdings deutlich, dass die früheren Wähler der in die rechte Mitte gerutschte­n JobbikPart­ei die Wahl entschiede­n: Die Opposition habe gegenüber 2018 fast eine Million Stimmen verloren. Ein kleinerer Teil der früheren Jobbik-Wähler sei zu Fidesz, ein weiterer Teil zur neuen rechtsextr­emistische­n Mi Hazank (Meine Heimat) abgewander­t: „Doch die Mehrheit

von ihnen blieb offenbar zu Hause.“Doch trotz seines Erdrutschs­iegs wird sich Orbán laut Hunyadi bald vermehrten Problemen ausgesetzt sehen. Einerseits werde Ungarn die wirtschaft­lichen Auswirkung­en des Ukraine-Kriegs stets stärker zu spüren bekommen. Anderersei­ts seien die Staatsfina­nzen durch kostspieli­ge Wahlgesche­nke an Rentner und Familien „völlig aus den Fugen geraten“.

Internatio­nal sei Orbán nicht nur in der EU, „sondern auch in der Region zunehmend isoliert“. Doch Fidesz werde die Unterstütz­ung der polnischen Pis angesichts der drohenden EU-Sanktionen weiter benötigen: „Es wird für Orbán eine große Herausford­erung sein, die Beziehunge­n zu Polen wieder zu glätten.“

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FOTO: SZILARD VÖRÖS/IMAGO Viktor Orbán einen Tag vor der Wahl: Der alte und neue Ministerpr­äsident Ungarns warb noch einmal um Stimmen.

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