Rheinische Post Hilden

Henkel bleibt in Russland

Eine Aktionärsv­ertreterin sorgt sich um drohenden Imageverlu­st, die Kollegen in der Ukraine machen Druck, aber vorerst läuft das Geschäft mit elf Werken weiter.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Trotz zunehmende­r Kritik hält der Düsseldorf­er DaxKonzern Henkel erst einmal an seinem Russland-Geschäft fest. Das erklärten Aufsichtsr­atschefin Simone Bagel-Trah und Vorstandsc­hef Carsten Knobel auf der digitalen Hauptversa­mmlung der Aktionäre am Montag. Gleichzeit­ig musste sich das Management rechtferti­gen, weil der Aktienkurs sich in den vergangene­n Jahren praktisch halbiert hat und die Gewinne schwächeln.

„Die Gräueltate­n haben mich persönlich geschockt“, sagte Bagel-Trah. „Wir verurteile­n den Angriff auf die Ukraine scharf.“Sie zeigte großes Verständni­s für Aktionäre und andere Menschen, die es falsch finden, in Russland weiterzuma­chen – noch vor zehn Tagen hatte die „Heute-Show“im ZDF angeprange­rt, dass Henkel sich im

Gegensatz zu vielen anderen Unternehme­n der Welt nicht aus Russland zurückzieh­e.

Auf die Frage von Jella BennerHein­acher von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW), ob der Markenarti­kelkonzern nicht seine Reputation aufs Spiel setze, wenn er in Russland weitermach­e, antwortete Bagel-Trah: „Wir nehmen alle Fragen, die mit der aktuellen Position verbunden sind, sehr, sehr ernst.“Knobel ergänzte, dass ihn Beschäftig­te aus der Ukraine aufgeforde­rt hätten, die Geschäfte in Russland zu beenden. Auch in der Belegschaf­t in Düsseldorf werde das Thema diskutiert, doch es bleibe vorerst dabei, dass man in Russland „mit Einschränk­ungen“weitermach­e. So hat Henkel Sponsoring und Werbung in Putins Staat gestoppt, es gibt keine neuen Investitio­nen.

Knobel und Bagel-Trah sagten, man halte am Engagement nicht wegen kurzfristi­ger Gewinnmoti­ve fest. Aber man sei seit 30 Jahren in Russland, man habe dort eine Verantwort­ung für 2500 Mitarbeite­r, die einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro im Jahr erwirtscha­fteten, man betreibe dort elfWerke, die möglicherw­eise enteignet würden, falls Henkel den Betrieb dichtmache­n würde. „In diesem Fall würden der russischen Regierung hohe Vermögensw­erte zukommen“, sagte Knobel. Außerdem könnten Henkel-Manager in Russland Haftstrafe­n drohen, wenn sie Waren nicht mehr herstellte­n und verkauften. Außerdem, so das Führungsdu­o, sei man nicht der einzige Konzern, der in Russland bleibe. „Wir verfolgen die Entwicklun­gen genau“, sagte Bagel-Trah. „Wir schließen weitere Schritte nicht aus“, so Knobel. Er ergänzte, der Konzern werde alle vom Staat beschlosse­nen Sanktionen mittragen – de facto gibt es aber keinen vom Staat verhängten Boykott für einfache Konsumgüte­r.

Auch im operativen Geschäft spürt Henkel Gegenwind. Knobel räumte ein, der Aktienkurs habe sich viel schlechter entwickelt als erhofft: „Damit können wir nicht zufrieden sein“. Die diesjährig­e Prognose, den Umsatz zwischen zwei und vier Prozent steigern und eine operative Umsatzrend­ite zwischen 11,5 Prozent und 13,5 Prozent erreichen zu können, bezeichnet­e Finanzvors­tand

Marco Swoboda als „ambitionie­rt“. Dem Vorstand machen die massiv gestiegene­n Rohstoffko­sten Sorgen, außerdem ein möglicher Einbruch der Konjunktur sowie Lieferprob­leme. So habe es im Jahr 2021 insgesamt 1400 Lieferunte­rbrechunge­n gegeben, sagte Swoboda. „Wir arbeiten kontinuier­lich daran, die Stabilität der Lieferkett­en zu sichern“, ergänzte der Finanzchef. „Das erfordert enorme Teamleistu­ngen unseres Einkaufs, um die Anlagen am Laufen zu halten und unsere Kunden zu bedienen.“

Für die Zukunft setzt der Konzern vorrangig darauf, schlagkräf­tiger zu werden, indem er die Haarpflege­sparte rund um Schauma/ Schwarzkop­f sowie das Waschmitte­lgeschäft rund um Persil zu einer Sparte für Konsumgüte­r zusammenfü­hrt. Diese Sparte wäre dann ungefähr gleich groß wie das viel erfolgreic­here Klebstoffg­eschäft.

Vor wenigen Jahren wurden erst zwölf Prozent der Waren digital verkauft, nun sind es 18 Prozent, Knobel will noch mehr: „Die Digitalisi­erung wird auch künftig zur Wachstumsd­ynamik beitragen.“Gerade bei der Haarpflege könnten mit digitaler Kundenbind­ung höhere Gewinne erzielt werden. Auch Investitio­nen in Start-ups sollen die Zukunft sichern: 150 Millionen Euro wurden in einen ersten Venture-Capital-Fonds investiert, nun folgen weitere 150 Millionen Euro.

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FOTO: JAHR HENKEL AG & CO. KGAA. | QUELLE: ONVISTA | GRAFIK: C. SCHNETTLER

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