Prozessauftakt gegen Cum-ex-Schlüsselfigur
Vor dem Landgericht Bonn muss sich Hanno Berger verantworten. Er soll sich Millionen ertrickst haben.
BONN (dpa) In Handschellen landet Hanno Berger dort, wo er auf keinen Fall hinwollte: vor einem deutschen Gericht. Fast ein Jahrzehnt hatte der Architekt der Cum-ex-Steuerdeals in der Schweiz verbracht und sich gegen die Auslieferung nach Deutschland gewehrt – die kam im Februar 2022 dann doch.
Am Montag begann vor dem Bonner Landgericht das erste Strafverfahren gegen einen der Drahtzieher des Finanzskandals. Ein Justizbeamter führte den einstigen Star-Anwalt in den Gerichtssaal und nahm ihm die Handschellen ab. Danach musste sich der 71-Jährige die knapp zweistündige Verlesung der Anklage anhören. Berger gilt als Schlüsselfigur bei den verschachtelten Cumex-Geschäften, die den deutschen Staat schätzungsweise 30 Milliarden
Euro gekostet haben. In dem Bonner Strafprozess werden Berger drei Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung im Zeitraum 2007 bis 2013 vorgeworfen. Der Angeklagte soll die Privatbank M.M. Warburg zur Aufnahme von Cum-ex-Geschäften bewogen und maßgeblich geholfen haben, die nötigen Strukturen einzurichten. Zudem soll er gutgläubige Investoren angeworben haben. Dem Fiskus soll damit ein Schaden von 278 Millionen Euro entstanden sein, davon soll auch Berger profitiert haben (Az.: 62 KLs 2/20).
Bei dem Geschäftsmodell, das seine Hochphase von 2006 bis 2012 hatte, schoben Banken, Händler und Investoren Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Ausschüttungsanspruch in einem Kreisgeschäft hin und her – es war ein Verwirrspiel rund um den Dividendenstichtag, bei dem der ahnungslose Fiskus Kapitalertragssteuer erstattete, obwohl die Investoren diese gar nicht gezahlt hatten. Nun kommen die Aufräumarbeiten voran: Drei Bonner
Strafverfahren gegen Cum-exBeteiligte endeten 2021 und 2022 in Schuldsprüchen, zudem wertete der Bundesgerichtshof (BGH) die Steuerdeals als Straftat. Eine Vielzahl weiterer Verfahren dürfte die Gerichte noch beschäftigen.
Mit Hanno Berger muss sich nun der prominenteste Cum-ex-Akteur der Justiz stellen. Der 71-Jährige äußerte sich am ersten Verhandlungstag nicht zu den Vorwürfen – das ist aus taktischen Gründen nicht unüblich in Strafprozessen. Gegenüber verschiedenen Medien hatte der Jurist in den vergangenen Jahren von seinem Schweizer Exil aus den Vorwurf der Steuerhinterziehung stets von sich gewiesen. Zudem stellte er sich als Opfer eines deutschen Justizskandals dar: Ihm widerfahre Unrecht, erklärte Berger.