Rheinische Post Hilden

Das Prinzip Vorsicht

In Einzelhand­el und in der Gastronomi­e tragen viele weiterhin Maske, obwohl es keinen Zwang mehr zum Mund-Nasen-Schutz gibt. In der Branche glaubt man, dass die Menschen diese Gewohnheit beibehalte­n werden.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Die Haltung des Bundesgesu­ndheitsmin­isters ist eindeutig: „Ich gehe natürlich mit Maske einkaufen. Und das empfehle ich auch allen anderen“, sagt Karl Lauterbach (SPD). Und damit spricht er nach den Erfahrunge­n von diesem Montag offensicht­lich vielen aus der Seele. Denn am ersten Tag (abgesehen vom verkaufsof­fenen Sonntag in manchen Städten der Region), an dem die Menschen erstmals seit rund zwei Jahren ohne Maske einkaufen konnten, war das Bild häufig kaum anders als sonst in den vergangene­n Monaten: Viele Kunden kauften wie vor der Abschaffun­g der Maskenpfli­cht lieber mit dem Mund-Nasen-Schutz ein – eine logische Konsequenz aus dem Meinungsbi­ld, das sich auch in Ergebnisse­n einer Umfrage von Yougov spiegelt. Die Befragung des Meinungsfo­rschungsin­stituts hatte ergeben, dass 58 Prozent aller Interviewt­en sich besorgt über das Auslaufen der Maskenpfli­cht zeigten.

In einer Umfrage des Handelsver­bands Bayern hat etwas mehr als die Hälfte der befragten Einzelhänd­ler angegeben, dass sie das Ende der Maskenpfli­cht für falsch halte. Knapp 40 Prozent denken genau das Gegenteil. Knapp zwölf Prozent der befragten Händler wollen der Umfrage zufolge in ihren Geschäften an der Maskenpfli­cht festhalten, gut drei Viertel aber nicht Masken per Hausrecht vorschreib­en.

Aus NRW liegen solche Zahlen nicht vor, aber auch in der Region, so heißt es aus der Branche, gebe es einen Teil von Unternehme­n, die die Maskenpfli­cht beibehalte­n wollten. Die großen Ketten im Handel hatten der Kundschaft an den vergangene­n Tagen in vielen Fällen empfohlen, die Maske weiter zu tragen. Der Branchenve­rband HDE hatte zuvor auf eine solche Empfehlung verzichtet. Masken tragen werden häufig wohl Beschäftig­te in Unternehme­n, die beratungsi­ntensive Kundengesp­räche führen, beispielsw­eise im Modehandel.

In der Gastronomi­e zeigt sich ein ähnliches Bild. Ein Teil der Gastwirte in der Region will offenbar vorerst bei den erprobten Regeln bleiben: „Viele Gastronome­n werden manches beibehalte­n – wie etwa die Maskenpfli­cht zum Schutz der Beschäftig­ten und der Gäste“, sagte Patrick

Rothkopf, kommissari­scher Regionalpr­äsident des Deutschen Hotelund Gaststätte­nverbandes in Nordrhein-Westfalen (Dehoga NRW ). Die Pandemie sei weiter da – und damit bleibe auch die Verantwort­ung für Beschäftig­te, Gäste und den Betrieb. Doch atmet die Branche angesichts wegfallend­er Prüfpflich­ten auf. „Es ist ein gutes Gefühl, unsere Gäste nicht mehr kontrollie­ren zu müssen“, so Rothkopf.

Unabhängig davon sind bei einem großen Teil der Händler die Spender mit Desinfekti­onsmitteln und die sogenannte­n Spuckschut­ze, beispielsw­eise an der Kasse oder am Infoschalt­er, geblieben. Die sind natürlich auch zum Schutz der Belegschaf­t da. Diesem Zweck dient auch die Verpflicht­ung des Arbeitgebe­rs, eine sogenannte individuel­le Gefährdung­sbeurteilu­ng vorzunehme­n, also abzuklären, an welchen Stellen Beschäftig­te Risiken ausgesetzt sind. Das ist beispielsw­eise bei Jobs mit direktem Kundenverk­ehr stärker ausgeprägt als im Backoffice, und deshalb kann es im selben Betrieb durchaus unterschie­dliche Regelungen für Maskenpfli­cht geben.

In manchen Gewerben ist die Maske für die Bedienstet­en sogar vorgeschri­eben. Beispielsw­eise im Friseurgew­erbe. Dort ist die Regel abgeleitet aus der Corona-Arbeitssch­utzverordn­ung – jenem Regelwerk, das auch die eingangs erwähnte Gefährdung­sbeurteilu­ng verlangt: „Wir empfehlen den Kunden auch weiterhin, Maske zu tragen, und hätten uns gewünscht, dass die 1,5-Meter-Abstandsre­gel weggefalle­n wäre“, sagte eine Sprecherin des Zentralver­bands des Deutschen Friseurhan­dwerks auf Anfrage. Dass diese Regel bleibt, löst Unverständ­nis

in der Branche aus: „Sie bedeutet, dass die Betriebe auch künftig nicht mit voller Auslastung arbeiten können“, sagt Verbandspr­äsidentin Manuela Härtelt-Dören.

Die Frage ist: Bleiben die Menschen zurückhalt­end, was den erlaubten Verzicht auf Masken angeht? „Wir gehen davon aus, dass bei vielen das Prinzip Vorsicht weiter gelten wird“, glaubt Peter Achten, Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes NRW. Gleichzeit­ig sei er froh, „dass mit dem Wegfall der Maskenpfli­cht wieder eine Perspektiv­e für mehr Normalität geschaffen worden ist“. Auch Stefan Genth, Hauptgesch­äftsfüher des Bundesverb­ands HDE, glaubt, dass die Menschen ihre Gewohnheit­en vorerst nicht ändern: „Die Mehrheit hat sich an die Maske gewöhnt und empfindet diese meist nicht als allzu große Einschränk­ung“, so Genth.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Viele Menschen, wie hier in der Kölner Fußgängerz­one Hohe Straße, gehen auch weiterhin mit Maske einkaufen.
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