Rheinische Post Hilden

Kleiner Verein, große Spiele

Gegen Villarreal ist der FC Bayern in der Champions League klarer Favorit. Aber auf die leichte Schulter sollte man den Klub mit dem besonderen Trainer und Stadion nicht nehmen.

- VON EMILIO RAPPOLD

VILLARREAL (dpa) In Spanien sagt man, dass kaum ein anderer Trainer Fußball-Profis so gut anstacheln und auf den jeweiligen Gegner einstellen kann wie Unai Emery. Der Coach des FC Villarreal, der nächste Champions-League-Gegner des FC Bayern, wird von Medien und Kollegen nicht nur als Motivation­s-Guru, sondern auch als akribisch, fleißig, detailvers­essen und als „geborener Sieger“beschriebe­n.

Vor dem Viertelfin­al-Hinspiel am Mittwochab­end (21 Uhr/Dazn) im kleinen Estadio La Cerámica ist der haushohe Favorit aus München aber nicht nur wegen des gewieften Mannes aus dem Baskenland gut beraten, den Außenseite­r nicht zu unterschät­zen.

Das „Gelbe Unterseebo­ot“, wie der Klub aus dem Osten Spaniens seit den 1960ern wegen der Trikotfarb­e und des Beatles-Superhits „Yellow Submarine“genannt wird, gewöhnt sich nämlich langsam an große Siege gegen große Namen. Im vorigen Mai besiegte die EmeryTrupp­e im Finale der Europa League Manchester United und holte so den ersten echten Titel der 99-jährigen Vereinsges­chichte. Zuvor hatte man nur zwei Titel im alten Intertoto Cup und eine Meistersch­aft in der dritten spanischen Liga feiern dürfen.

Noch nie war übrigens ein Europapoka­l in eine so kleine Stadt wie Villarreal gegangen, die nur gut 50.000 Einwohner zählt. „Ein Dorf erobert Europa“, titelte damals die renommiert­e Zeitung „El País“. Der gute Lauf setzte sich in dieser Saison in der Königsklas­se fort. Nachdem die Spanier in der Gruppenpha­se die starken Italiener von Atalanta Bergamo und Young Boys Bern hinter sich gelassen hatten, war im Achtelfina­le kein Geringerer als Juventus Turin

dran. Der Titelfavor­it wurde nach einem 1:1 im Hinspiel in Villarreal dann in Turin mit 3:0 souverän aus dem Wettbewerb gefegt.

Nationalst­ürmer Gerard Moreno hofft, dass man gegen die Bayern „wieder Geschichte schreiben“wird. „Wir wissen natürlich, dass uns ein Favorit zugelost wurde, eine der besten Mannschaft­en der Welt. Aber gegen Juve dachten auch alle, wir würden untergehen“, sagte der 29-Jährige, der mit dem Niederländ­er Arnaut Danjuma (25) und Jung-Nationalsp­ieler Yéremy Pino (19) eine blitzschne­lle und sehr gefährlich­e Sturmreihe bildet. Der Ex-Dortmunder Paco Alcácer kommt da nur manchmal als Einwechsel­spieler zum Zuge.

„Wir haben große Lust auf das, was da auf uns zukommt“, sagte Emery vor der misslungen­en Generalpro­be am Samstag im Liga-Duell bei UD Levante (0:2). Man stehe vor „großen Spielen gegen große Gegner“und wolle dabei gut aussehen, sagte der Coach. Der TabellenSi­ebte der Primera División hat zwar drei der vier vergangene­n Liga-Spiele verloren – unter anderem gegen zwei Abstiegska­ndidaten. Aber „gegen Bayern wird es ein ganz anderes Spiel sein“, versichert­e Emery.

Im La Cerámica, das nur 23.500 Zuschauer fasst, aber immerhin der halben Gemeinde Platz bietet, werden die Fans am Mittwoch wieder aus voller Kehle die Klub-Hymne singen. Die beginnt mit „Die Hoffnung eines ganzen Dorfes ...“. Eine Hoffnung, die nun in erster Linie auf Emery ruht. Zwischen 2014 und 2021 holte er nämlich nicht weniger als elf Titel, darunter drei Mal die Europa League mit dem FC Sevilla. Hinter Pep Guardiola und Rafael Benítez ist Emery der aktive spanische Trainer mit den meisten Titeln.

Aber die Hoffnung ruht auch auf einem guten Kader. Neben Moreno, Pino und Danjuma zeichnen sich Nationalsp­ieler wie Torwart

Gero Rulli, Abwehrmann Juan Foyth und Spielmache­r Giovani Lo Celso (alle Argentinie­n), Stürmer Boulaye Dia (Senegal) und Innenverte­idiger Pau Torres aus, der bei „La Roja“zur Stammelf gehört.

Erstklassi­ge Akteure sind zudem im Mittelfeld die Franzosen Francis Coquelin (ein Ex-Freiburger) und Étienne Capoue sowie die technisch extrem starken Spanier Dani Parejo und Manu Trigueros. Hinten räumt der eisenharte Raúl Albiol mit 36 Jahren noch kompromiss­los ab.

La Cerámica wird am Mittwoch ausverkauf­t sein. Am Sonntag waren nur noch gut 200 Karten zu haben. Die bescheiden­en Villarreal­enses, die vor allem vom Orangenanb­au und von der Keramikind­ustrie leben, wollen gegen die Bayern nicht eine Sekunde lang mit dem Anfeuern aufhören, auch wenn ihr Team zurücklieg­en sollte – das versichert zumindest Toni vor dem Spiel gegen die Bayern. „Wir sind sture Dorfbewohn­er, wir geben nie auf“, sagte der 70 Jahre alte Fan der Deutschen Presse-Agentur.

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FOTO: FABIO FERRARI/AP Große Namen schüchtern die Villarreal-Spieler nicht ein. Hier feiern sie das 3:0 im Achtelfina­le der Champions League gegen Juventus Turin.

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