Der radikale Radweg
Die wegfallende Autospur auf der Luegallee ist nur eine von vielen kontroversen Ideen bei der Planung eines neuen Vorzeigeradwegs. Die Überlegungen zeigen, was ein Umbau der Stadt für den Radverkehr wirklich bedeutet.
DÜSSELDORF Verkehrsdezernent Jochen Kral hat die Förderung des Radverkehrs zu seinem Hauptanliegen erklärt. Er folgt dabei einer einfachen Logik: Menschen steigen nach seiner Ansicht nur dann aufs Rad um, wenn sie sich angstfrei durch die Stadt bewegen können, und zwar auf durchgängigen Routen – denn der schönste Radweg nutzt nichts, wenn er in einer Gefahrenstelle endet. So hat es Kral im Januar bei seinem ersten Interview mit unserer Redaktion erklärt.
Jetzt zeigt sich, wie grundlegend dieser Gedanke die Straßen in Düsseldorf verändern könnte. Eine interne Machbarkeitsstudie, die unserer Redaktion vorliegt, spielt den Bau einer sogenannten Radleitroute durch. Das ist eine Art FahrradHauptstraße, die von Heerdt quer durch das Stadtzentrum bis ins obere Gerresheim führen soll. Sie soll dabei durchgehend einen hohen Komfort für den Radverkehr bieten. Sogar ein Teil der Radwege, die es auf der Strecke schon gibt, soll daher ersetzt werden. Denn zum Beispiel die lange verbreitete Praxis, Radwege über den Gehsteig zu führen, taugt für die neue Fahrradwelt nach Ansicht der Planer nicht. Schon heute sind diese Wege bei Fußgängern und Radfahrern teilweise gefürchtet. Wenn irgendwann viel mehr Menschen mit dem Rad oder sogar dem E-Bike unterwegs sind, steigt das Risiko von Kollisionen.
Da der Platz im Straßenraum aber begrenzt ist, soll der Umbau nun vor allem zulasten des Autoverkehrs erfolgen. Das haben die Planer der Stadttochter IPM, die das Projekt umsetzen soll, gedanklich für die rund zwölf Kilometer lange Strecke in unbekümmerter Konsequenz durchgespielt. Wie berichtet, regen sie zum Beispiel in beiden Fahrrichtungen die Umwandlung einer Autospur auf der Luegallee zur Fahrradspur an. Auf der Hansaallee, die weiter in Richtung Meerbusch führt, könnte sogar ein baulich abgetrennter Radweg – Fachbegriff: Protected Bike Lane – entstehen. Allein auf diesem linksrheinischen Stück der
Route müssten dafür insgesamt 250 Parkstände wegfallen.
In der Logik der Planer ist das nur folgerichtig, politisch ist es natürlich von hoher Brisanz. Und das gilt auch für reihenweise andere Stellen. Auf der Maximilian-Weyhe-Allee und Teilen der Grafenberger Allee soll ebenfalls eine Autospur wegfallen. Sogar am Wehrhahn, wo erst kürzlich der neue Radstreifen in Betrieb genommen ist, soll ummarkiert werden – denn der bestehende Radstreifen ist für die Ansprüche des Leitradwegs zu schmal. Die Planer halten den Wegfall der vielen KfzSpuren mit Blick auf die jeweilige Auslastung für vertretbar.
Auch in Richtung Flingern und Gerresheim müsste umgebaut werden. Auf Cranachstraße, Hellweg und Dreherstraße würde das Projekt auf weiten Teilen von den schon vorhandenen Radanlagen profitieren.
Das heikelste Stück im Osten betrifft das Gerresheimer Zentrum: Auf dem letzten Stück der Dreherstraße nach der Auffahrt auf den Hügel müsste der Seitenstreifen mit Parkständen und Bäumen für einen breiten Radweg geopfert werden. (Ersatzbäume sind vorgesehen.)
Insgesamt würde das Projekt 415 Parkstände, 20 Bäume und eine ganze Reihe von Kfz-Streifen kosten – dafür könnten Radfahrer in einer Qualität durch die Stadt fahren, von denen sie in Düsseldorf wohl nie zu träumen gewagt hätten. Am Dienstag soll die Kommission für den Radverkehr als erstes Gremium über den Plan beraten.
Es dürfte das bislang ambitionierteste Radprojekt in Düsseldorf sein. Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) lässt den Dezernenten offensichtlich gewähren, die Grünen – die Kral im vergangenen Jahr ins Amt gehoben haben – würden ein zentrales Wahlversprechen umsetzen. In der CDU sind hingegen auch kritische Stimmen zu hören. Hier will man ebenfalls mehr Radverkehr, fürchtet aber zugleich zu harte Schritte gegen den für Düsseldorf in vielen Hinsichten wichtigen Autoverkehr. Das politische Risiko ist offensichtlich.
Ein Kompromiss wird sich nicht so einfach finden lassen. Denn bei einer halbherzigen Umsetzung mit vielen Lücken würde das Projekt sein Ziel verfehlen. Dazu kommt Zeitdruck. Anders als so oft im Verkehr geht es nicht um erste Gedanken für Übermorgen: Schon im Juni könnte der Rat dem angehängten Zeitplan zufolge über die Pläne befinden. Und die Umsetzung könnte laut Machbarkeitsstudie bereits bis 2024 erfolgen.