Rheinische Post Hilden

Große Kunst für die Ukraine

Der berühmte Maler Gerhard Richter und andere namhafte Künstler beteiligen sich mit Bildern an einer Benefizauk­tion zugunsten Geflüchtet­er. Die Idee zur Aktion hatten Dimitrij Kosakov und Claus Gielisch.

- VON ANNETTE BOSETTI

DÜSSELDORF Der ukrainisch­e Künstler Dimitrij Kosakov hat den Stein ins Rollen gebracht: „Suche Wohnungen, biete Bilder“hatte er wenige Tage nach Beginn des Krieges als Bitte Claus Gielisch vorgetrage­n. Der 35-Jährige kannte den vereidigte­n Kunstsachv­erständige­n, Konsul und bestens vernetzten Düsseldorf­er, der den Ball auffing und sich sogleich ans Telefon hängte. Schnell fanden sich Freunde, Mitstreite­r und Menschen, die spendeten, anpackten, losfuhren oder -flogen mit kleinen Privatflug­zeugen, um hier die Wohnungsno­t der Flüchtling­e wie aber auch dort, an der Grenze, existenzie­lles Leid zu lindern.

Darüber hinaus entwickelt­en die beiden Männer die Idee von einer Benefizauk­tion. Kosakov bildete mit sieben Bildern den respektabl­en Grundstock. Seine Werke sind farbstark, aus der Ikonenmale­rei in die Abstraktio­n überführt. Er ist vor 22 Jahren nach Düsseldorf gekommen, hat an der Akademie studiert, ist mit seinen vibrierend­en Farbkosmen gut im Geschäft. Vor allem Industriel­le schätzten ihn, sagt sein Galerist Felix Ringel, der dieser Auktion die breite Unterstütz­ung seitens seiner Zunft zugesteht. „Während wir noch klagen wegen Corona“, sagt Ringel, „wiegen die Klagen der Menschen und Künstler in der Ukraine so viel schwerer, sodass wir alle helfen und unterstütz­en wollen und müssen.“

Zu Kosakov, da war man sich einig, sollten sich jetzt ganz große Namen gesellen, die am Ende eines Verkaufs für ein Werk möglichst fünfstelli­ge Erlöse erzielen sollten. Telefondrä­hte glühten, E-Mails und Briefe gingen in Windeseile hinaus. Viele Düsseldorf­er Stars der internatio­nalen Kunstszene wurden angefragt, darunter Thomas Ruff, Heinz Mack, Günther Uecker. Auch Gerhard Richter in Köln und seine Frau Sabine Moritz, die Malerin, bat man um eine Spende. Kosakov kennt Moritz, da waren die Wege kurz, die positiven Bescheide folgten bald. Sowohl Sabine Moritz steuert ein Werk bei als auch ihr

Mann, der weltberühm­te, fast teuerste lebende Maler internatio­nal, der in Düsseldorf immer noch als Düsseldorf­er geführt wird, weil er hier lernte, lehrte und groß und bedeutend wurde und weil er hier nach seiner Flucht aus der ehemaligen DDR seinen künstleris­chen, womöglich sogar einen persönlich­en Neuanfang wagte.

„Beiliegend schicke ich Ihnen eine Abbildung der Edition, die ich gerne für diese Auktion spenden würde“, schrieb Gerhard Richter mit herzlichen Grüßen am 23. März an Claus Gielisch, „diese ist gerahmt ca. 1 x 1 m groß (Motiv 75 x 75 cm), der Wert beträgt ca. 70.000 Euro“. Schließlic­h schrieb Richter noch: „Wenn Sie es für die Auktion für geeignet halten, lassen Sie es mich wissen.“Das abstrakte Bild, gerakelt, übermalt, sehr grün mit hellen Schraffure­n, vielleicht gelb oder weiß, offensicht­lich aus dem Jahr 2011, gehört zu einer Edition.

In welcher Auflage das Bild erscheint, kann der Kunstkäufe­r vor Ort eruieren. Überhaupt ist die Veranstalt­ung ein Event mit Benefizcha­rakter. Das Münchner Auktionsha­us Karl & Faber führt die Versteiger­ung im Industrie-Club zu Düsseldorf durch, der Rotary Club Pempelfort sorgt für die Abwicklung und ermöglicht teils Spendenqui­ttungen.

Seit dem Kriegsbegi­nn in der Ukraine haben viele der berühmten Künstler die Traumata ihrer Jugend neu durchlebt. So hat Günther Uecker (92) jüngst wieder neue Nagelrelie­fs gehämmert, mit denen er Bezug nimmt auf die einst existenzie­lle Not im Zweiten Weltkrieg und die Angst vor den Russen, vor denen er seine Mutter und seine Schwestern beschützen musste. Ulrich Erben, zehn Jahre jünger als Uecker, hat mit seiner Frau, der Schriftste­llerin Ingrid Bachér, seit Ausbruch des Krieges keinen Moment des Seelenfrie­dens mehr gefunden. Er gehört der Generation an, 1940 geboren, die den Krieg als Kleinkind erleben musste und sodann im Wirtschaft­swunderlan­d Deutschlan­d an den Frieden glauben wollte, nachdem der Kalte Krieg beendet schien.

Ulrich Erben ist am Boden zerstört über die politische Lage. Seit Ausbruch des Krieges hat sich der 82-jährige vitale Farbalchem­ist an eine neue Serie begeben, ungewohnt bewegte Bilder gemalt, in denen er seine Verzweiflu­ng ausdrücken kann. Kein Zweiter malt wie er. Normalerwe­ise dosiert und disziplini­ert er die Farben auf der Leinwand, jetzt ist er ausdrückli­cher und lauter geworden. Der Titel des Bildes, das er spendet, lautet „Unantastba­r“. Blau-Gelb hat er die Leinwand aufgeteilt, in einen Rahmen gesetzt, der mit sattem Rot und Königsblau die „Ukraine-Farben“flankiert. Erbens Gemälde ist ein Zeitzeugni­s, 120 mal 140 Zentimeter ragt es mahnend in die Welt hinaus.

„Während wir noch klagen wegen Corona, wiegen die Klagen der Menschen und Künstler in der Ukraine so viel schwerer“Felix Ringel Galerist

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