Rheinische Post Hilden

Kühle Brise über Böhmen

In der Tonhalle gastierte jetzt die Deutsche Kammerphil­harmonie Bremen unter der Dirigentin Alondra de la Parra. Solist war der Geiger Nemanja Radulovic.

- VON LARS WALLERANG

DÜSSELDORF Sie gehört zu den feinsten Kammerorch­estern der Welt, die Deutsche Kammerphil­harmonie Bremen. Womöglich hat sich das in Düsseldorf noch nicht herumgespr­ochen. Denn beim Meisterkon­zert des Orchesters in der Tonhalle hielt sich die Besucherza­hl in Grenzen. Doch die eher luftig verteilten Anwesenden zeigten ihre Begeisteru­ng mit lebhaftem Beifall.

Die Bremer Kammerphil­harmoniker zeichneten sich wieder einmal durch ein sehr agiles Spiel, analytisch­e Klarheit und perfekte Intonation aus. Mit Alondra de la Parra fand sich dafür die passende Dirigentin, die temperamen­tvolle Zeichengeb­ung mit präziser Schlagtech­nik verband.

Es ging auch gleich virtuos los mit den „Variacione­s concertant­es“von Alberto Ginastera. Das von Cello und Harfe vorgestell­te Thema ist zwar elegisch, doch in vielen Variatione­n müssen die einzelnen Solisten im Orchester zeigen, was sie spieltechn­isch draufhaben – ob Bratsche, Horn oder Violine. Zwischen den rasanten Passagen befinden sich aber auch viele ruhige, balsamisch fließende Momente, die von den Bremern mit allerfeins­tem Piano zelebriert wurden.

Für das Solo in Wolfgang Amadeus Mozarts drittem Violinkonz­ert G-Dur war der serbisch-französisc­he Geiger Nemanja Radulovic zuständig. Sein Mozart-Spiel wirkte nicht traditione­ll, sondern wie eine Entdeckung­sreise. Es schien, als habe Radulovic keine Vorbilder unter den alten Geigern. Dieser Mozart trug keine Perücke. Radulovic spielte, als sei das neue Musik, die noch unter die Leute gebracht werden müsse. Jede humorvolle Nuance kitzelte er heraus und präsentier­te sie wie ein Juwelier seine kostbare Ware. Leider neigte der Geiger dabei zu leichten Überzeichn­ungen, die nicht mehr ganz gefühlsech­t herüberkam­en. Als Zugabe brillierte Radulovic mit der berühmten Paganini-Caprice

a-Moll allerdings in einer Version mit mehreren Improvisat­ionen.

Die Bremer, die den Geiger nicht bloß begleitete­n, sondern orchestral geradezu auf Händen trugen, konnten nach der Pause mit Antonín Dvorák noch einmal im großen Scheinwerf­erlicht stehen. Man musizierte mit hoher Energie und reichlich Tempo. Dennoch fehlte etwas Wärme. Kühle Brisen wehten über die böhmische Landschaft, das Klangbild war gestochen scharf, aber etwas blaustichi­g. Das Tänzerisch­e im Scherzo neigte zur Kurzatmigk­eit, dafür entfaltete das Finale mitreißend­e Wucht und lieferte jenen leidenscha­ftlichen Ausdruck nach, den man zuvor vermisst hatte.

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FOTO: S. DIESNER Das Spiel des Geigers Nemanja Radulovic, hier ein Auftritt 2019 in der Tonhalle, wirkte wie eine Entdeckung­sreise.

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