NRW begrüßt Kehrtwende bei Isolation
Wer sich mit Corona infiziert, muss sich auch im Mai noch isolieren – und zwar für fünf Tage. Gesundheitsminister Lauterbach räumt einen persönlichen Fehler ein. NRW-Minister Laumann und Ärzte rügen die Kommunikation.
DÜSSELDORF In einem ungewöhnlichen Schritt hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seinen Plan wieder kassiert, wonach Infizierte ab Mai nur noch freiwillig in Isolation gehen sollten. Das sei „ein Fehler, für den ich auch persönlich verantwortlich bin“, sagte Lauterbach am Mittwoch. Am späten Dienstagabend hatte er die Kehrtwende in einer ZDF-Talkshow angekündigt und in der Nacht über den Nachrichtendienst Twitter verbreitet. Die Reaktionen auf seinen ursprünglichen Vorschlag hätten ihn davon überzeugt, dass dieser „psychologisch das falsche Signal“sende und als Schritt der Lockerung verstanden würde, sagte Lauterbach. Daher solle es nun doch bei der Pflicht zur Isolation bleiben.
Lauterbachs neuer Vorschlag sieht vor, dass infizierte Bürger sich ab Mai für fünf Tage in Isolation begeben müssen. Die Gesundheitsämter ordnen das wie bisher an, dies ist auch Grundlage für die Krankschreibung. Beschäftigte aus Kliniken und Pflegeheimen können sich nach fünf Tagen nur mit einem zertifizierten Schnell- oder PCR-Test freitesten. Allerdings werde es für Kontaktpersonen von Infizierten ab Mai nur noch eine dringende Empfehlung geben, sich für fünf Tage zu isolieren, so der Minister.
Wenn man sehe, dass Vorschläge nicht funktionierten, müsse man sie zurücknehmen, einen Rücktritt habe er aber nicht erwogen, sagte der SPD-Politiker. Der ursprüngliche Vorschlag sei mit dem RobertKoch-Institut abgesprochen gewesen. Die kommunikative Wirkung habe er aber falsch eingeschätzt. Ihm sei es um die Entlastung der Ämter gegangen.
NRW-Gesundheitsminister KarlJosef Laumann (CDU) begrüßt die Wende. „Ich bin froh, dass eine freiwillige Isolation für infizierte Personen wieder vom Tisch ist. Eine Freiwilligkeit setzte klar das falsche Signal. Zudem warf die Freiwilligkeit zahlreiche arbeits- als auch schulrechtliche Folgefragen auf“, sagte er unserer Redaktion. „Zwar zieht Bundesgesundheitsminister Lauterbach die Notbremse spät – aber hier gilt: lieber spät als nie. Ein Stückweit verwundert war ich allerdings über die Form der Kommunikation.“
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV ) kritisierte das Hin und Her. Bemerkenswerterweise habe Lauterbach seine Pläne bei einer Talkshow zurückgenommen, wunderte sich KBV-Chef Andreas Gassen. Sein Vize Stephan Hofmeister ergänzte: „Ob dieses Vorgehen zur Akzeptanz bei den Bürgern beiträgt, muss Politik beurteilen. Maßnahmen sollten klar und transparent sein – und nicht tagtäglich durch Ankündigungen wechseln.“
Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Josef Neumann, begrüßte das Einlenken: „Der Minister hat seinen Fehler erkannt und ohne Umschweife eingeräumt. Dadurch bleibt es dabei, dass Corona-Infizierte weiter in Isolation müssen.“Das sei richtig, weil Corona noch lange nicht vorbei sei. „Es ist gut, dass Karl Lauterbach das umgehend klargestellt hat.“Städte- und Landkreistag von NRW fordern Lauterbach auf, die Gesundheitsämter nun auf andere Weise zu entlasten. „Schätzungsweise mehr als 1000 Mitarbeiter der Kreise und kreisfreien Städte in NRW sind tagtäglich mit unnötigen Corona-Meldepflichten beschäftigt. Die Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter bindet zusätzliches Personal. Dieses Personal könnten wir viel besser für die Registrierung, die Wohnraumvermittlung und die Bewilligung von Sozialleistungen für Flüchtlinge einsetzen“, sagten die Geschäftsführer Helmut Dedy (Städtetag) und Martin Klein (Landkreistag). Einzelfallmeldung und Kontaktnachverfolgung sollten abgeschafft werden.
Die Stiftung Patientenschutz ist zufrieden. „Es kommt immer mal wieder vor, dass Politiker nach dem Ausscheiden einen Fehler eingestehen. Davon hat die Bevölkerung aber nichts. Deshalb ist die Kehrtwende von Karl Lauterbach außergewöhnlich“, sagte Vorstand Eugen Brysch. Es sei nicht falsch, einen Fehler zu machen. „Ein Fehler wäre es, falsche Entscheidungen nicht zu korrigieren.“Brysch wünscht sich das auch bei der Impfpflicht: Die Erosion von der Impfpflicht für alle zur Impfpflicht ab 60 belege, wie gefährlich es sei, sich bei einer Position zu verrennen.