Die Entschuldigungen helfen nicht
In Berlin trug sich dieser Tage Denkwürdiges zu: Am selben Tag lässt zum einen die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel über eine Sprecherin mitteilen, dass sie zu der Entscheidung stehe, im Jahr 2008 den Wunsch der Ukraine nach Aufnahme in die Nato zurückgewiesen zu haben. Der Bundespräsident wiederum räumt Fehler bei der Einschätzung von Wladimir Putin ein und entschuldigt sich für seine Russland-Politik der vergangenen Jahre.
Ja, es stimmt: Dass Russlands Präsident Wladimir Putin Bomben auf Kiew fallen lassen würde, hat bis auf den US-Geheimdienst niemand für möglich gehalten. Alle, wirklich alle, haben sich fürchterlich getäuscht. Ja, die Energieabhängigkeit ist ein schweres Versäumnis deutscher Politik, Nord Stream 2 als ein rein wirtschaftspolitisches Projekt zu verkaufen, war schon immer heuchlerisch. Ein fataler Fehler.
Doch was bringt das rückblickend an Lehren? Müsste es nicht vielmehr um die Zukunft gehen? Die EU befindet sich aktuell etwa in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von fast 100 Prozent bei den sogenannten Seltenen Erden von China, einer Schlüsselkomponente für E-Autos und erneuerbare Energien.
Die Schuld-Debatte trägt auch nicht dazu bei, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Wird etwa genug unternommen, China einzubinden, seinen Einfluss auf Russland geltend zu machen? Es lohnt sich, dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zuzuhören. Er setzt auch nach den schockierenden, menschenverachtenden Bildern aus Butscha weiter auf Verhandlungen mit Russland und fordert dabei zu Recht Sicherheitsgarantien für sein Land. Hier muss der Westen, muss Deutschland ansetzen. Die Reise von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Kiew ist ein gutes Signal. Einen Frieden nach ukrainischen Bedingungen auszuloten ist das Signal, welches der Westen senden muss.