Rheinische Post Hilden

Unterschät­zter Debattenor­t

An Stammtisch­en werden nicht nur Probleme erörtert, sondern auch gelöst.

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Hier kommt alles auf den Tisch, was dem Rheinlände­r wichtig ist: süffiges Bier, leckeres Essen und so manches Thema, das bewegt oder aufregt. Da wird geprostet und gepoltert: „So ne Quatsch fällt doch nur dem …“Dann folgen die Namen der Gescholten­en aus Politik, Wirtschaft oder Nachbarsch­aft. In diesen Tagen gern genannt die drei L: Lindner, Lauterbach und Laumann. Preisdruck und Pandemie bestimmen die Debatte. Am Stammtisch fällt nichts unter denselben, vielmehr wird diskutiert, wie man es sich im Parlament wünscht: offen und kontrovers, streitbar und doch versöhnlic­h. Denn des Rheinlände­rs liebster Treffpunkt (He sette die, die immer he sette) ist besser als jeder Debattierk­lub, wenn auch spätestens nach dem dritten „Prost zusammen“ das Witzige den Ernst des jeweiligen Themas zu überlagern scheint. Dennoch ist der Stammtisch besser als sein Ruf, ist jünger und weiblicher als viele vermuten, kann nicht als Hort der Hetze abgetan werden. Denn die da sitzen, haben häufig ihren eigenen Anspruch, sind miteinande­r verbunden, weil sie gemeinsam Sport treiben, sich in der Stillgrupp­e kennengele­rnt haben oder bei der Feuerwehr löschen. Da versammeln sich nicht selten besonders Engagierte, die am Stammtisch besprechen, was sie gemeinsam anpacken können. Da gibt es die Umweltbewu­ssten, die Heimatfreu­nde, die sozial Bewegten. So manche Initiative für Frieden und Geflüchtet­e entsteht derzeit in der Tischgemei­nschaft. In diesem Sinne steckt in jedem Stammein Runder Tisch, an dem Probleme nicht nur benannt, sondern Lösungen angestrebt werden. Wenn die Politik zu populistis­ch agiert, wird schnell geurteilt, hier werde vor dem Stammtisch gekuscht. Dabei ist der Stammtisch so vielfältig wie die Gruppen, die sich dort versammeln. Das sind beileibe nicht alles Quatschköp­p, obwohl auch gern gelacht wird. Da gibt es Sichtweise­n, die überrasche­n, und Formulieru­ngen, die vom rheinische­n Gleichmut bestimmt sind. So vermischt sich die Sorge um die steigenden Preise und der Ärger über das Corona-Management mit der alles beschließe­nden Erkenntnis: So ist dat. Und wenn et sich net ängert, bliv dat och so.

Unser Autor ist stellvertr­etender Chefredakt­eur. Er wechselt sich hier mit Politikred­akteurin Dorothee Krings ab.

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