Nicht genug Erzieher für die Aufsichtspf licht
In Kitas gibt es vielfach dramatischen Personalmangel. Das besagt eine umfangreiche Befragung.
DÜSSELDORF Rund 60 Prozent der Kitas in NRW haben in den vergangenen zwölf Monaten in mindestens einem Fünftel ihrer Zeit – viele sogar deutlich häufiger – mit so wenig Personal gearbeitet, dass sie ihren Aufsichtspflichten nach eigener Einschätzung nicht gerecht wurden. Auf knapp 17 Prozent der Kitas traf das sogar für mehr als 60 Prozent der Zeit zu. Das hat eine deutschlandweit durchgeführte Befragung von Kitaleitungen ergeben. Der „Deutsche Kitaleitungskongress“(DKLK) und die Gewerkschaft „Verband Bildung und Erziehung“(VBE) präsentierten die Ergebnisse der Studie am Mittwoch.
„Diese Entwicklung ist alarmierend“, sagte Anne Deimel, stellvertretende Vorsitzende des nordrheinwestfälischen VBE-Landesverbands: Im Vergleich zu früheren Jahren habe sich der Personalmangel deutlich verschärft. Fast jede dritte Kitaleitung in NRW ging deshalb im vergangenen Jahr auch krank zur Arbeit. Das Verhältnis von Fachkräften zu Kindern seit laut Befragung meistens schlechter als in den wissenschaftlichen Empfehlungen. Das sagten 57 Prozent der NRW-Kitaleitungen für den Bereich der unter Dreijährigen und 64 Prozent für den Bereich der über Dreijährigen. Womit man immer noch besser dasteht als andere Länder: Bundesweit bemängelten sogar 74 Prozent der Kitaleitungen die Fachkraft-Kind-Relation bei den größeren Kindern.
Ansonsten aber liegen die Ergebnisse für NRW in fast allen Feldern etwa im Durchschnitt. „Es ist ein bundesweites Problem“, fasste Anne Deimel zusammen. Der Chef des VBE-Bundesverbands, Udo Beckmann, fand vor allem für den Personalmangel drastische Worte. Schätzungsweise 9000 Kitas in Deutschland hätten im vergangenen Jahr in der Personalunterdeckung gearbeitet. „Übersetzt heißt das: Diese Einrichtungen konnten den Betrieb im Durchschnitt an mehr als jedem zweiten Tag nur unter Gefährdung der Sicherheit der zu betreuenden Kinder aufrechterhalten.“Nicht mal sieben Prozent der Kitas hätten durchgehend genug Personal gehabt. „Das System Kita steht, wenn die Politik nicht jetzt endlich tätig wird, vor dem Kollaps“, so Beckmann. Der VBE fordert von der
Verband Bildung und Erziehung
Politik neben mehr Geld und Unterstützung eine „Personaloffensive“für mehr Fachkräfte. Die Landesregierung müsse Rahmenbedingungen für Verbesserungen schaffen.
Die Landesregierung nimmt allerdings für sich in Anspruch, dass sie das tut. Familien- und Schulministerium verweisen auf eine gemeinsam entwickelte Personalgewinnungsund Qualifizierungsstrategie: Umschulungen zu Erziehern würden gefördert, Kita-Assistenzkräfte fortgebildet, und NRW sei Vorreiter bei Qualifizierungsmöglichkeiten für Kinderpfleger. „Die Landesregierung fördert diese Qualifizierung im Zeitraum von 2022 bis 2024 mit bis zu 32,6 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes.“
Bei der DKLK-Studie 2022 haben bundesweit mehr als 4800 Kitaleitungen mitgemacht. Sie wird seit 2015 jährlich aufgelegt.
„Das System Kita steht, wenn die Politik nicht jetzt endlich tätig wird, vor dem Kollaps“Udo Beckmann