Die Geisterstadt Shanghai
Die Furcht vor Zwangsquarantäne senkt die Investitionslaune westlicher Konzerne.
SHANGHAI Wer noch Resthoffnung auf ein rasches Ende des Lockdowns in Shanghai hegte, der wurde am Mittwoch eines Besseren belehrt: Unter Hochdruck wird derzeit das „National Exhibition and Convention Center“in das weltweit größte Covid-Feldkrankenhaus umgebaut. In dessen Hangar-Hallen sollen schon bald 40.000 Betten stehen. Doch trotz der anhaltenden Ausgangssperren steigen die Infektionszahlen nach wie vor: Zuletzt meldeten die Behörden in der chinesischen Wirtschaftsmetropole mehr als 17.000 Neuansteckungen.
Dass die Lockdown-Politik wirtschaftlich tiefe Dellen hinterlassen wird, steht außer Frage. Doch das Ausmaß der Krise ist dennoch schockierend: Am Mittwoch löste das Wirtschaftsmagazin Caixin mit der Veröffentlichung seines Einkaufsmanagerindex (EMI) für den Dienstleistungssektor wahre Schockwellen aus, der im März auf ein Rekordtief gesunken ist. „Das ist beispiellos“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der europäischen Handelskammer in Peking: „Das erste Quartal 2021 ist noch leicht besser im Vergleich zum Jahresbeginn 2020, aber wir sind auf dem Weg dahin“. Eine schwächelnde Konjunktur in China hat jedoch auch global überproportional große Auswirkungen, schließlich wird in der Volksrepublik ein Viertel des weltweiten Wirtschaftswachstums generiert. „Wenn China ein Schluckauf hat, bekommen wir alle eine Erkältung“, sagt Wuttke.
Am prekärsten ist die Situation derzeit in der 26-Millionen-Einwohner-Metropole Shanghai; die immerhin knapp vier Prozent des nationalen Bruttoinlandprodukts generiert. „Niemand weiß, wann der Lockdown enden wird. Shanghai ist zu einer Geisterstadt geworden“, sagt Bettina Schön-Behanzin, die die lokale EU-Handelskammer leitet. „Wir haben Berichte von Leuten, die täglich um vier Uhr morgens aufstehen – in der Hoffnung, um die Uhrzeit an Essenslieferungen zu gelangen.“Neben der Sorge um die Nahrungsmittelversorgung wächst in vielen Familien die Angst, dass sie im Fall einer Corona-Infektion von ihren Kindern getrennt werden. In der Vergangenheit haben die Behörden Shanghais infizierte Kinder – darunter auch Babys und Kleinkinder – in eigenen CovidKliniken untergebracht. Nach Protesten kündigte Shanghais Stadtregierung am Mittwoch an, dass nicht infizierte Eltern beantragen könnten, Kinder, die besondere Unterstützung bräuchten, in die Isolation begleiten zu dürfen. (mit dpa)