Rheinische Post Hilden

Windräder und Solardäche­r erhalten Priorität

Mehr als 500 Seiten umfasst das Gesetzespa­ket, mit dem Klimaschut­zminister Robert Habeck die Energiewen­de voranbring­en will.

- VON JANA WOLF

BERLIN Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) geizt in diesen Tagen nicht mit neuen Plänen und Projekten, mit denen er die Transforma­tion im Land voranbring­en will. Der Vizekanzle­r ist dauerpräse­nt – und der Krieg in der Ukraine hat der Neuausrich­tung der deutschen Energiepol­itik, die Habeck verantwort­et, neue Dringlichk­eit verliehen. Nun soll der erste große Wurf gelingen: Mit dem „Osterpaket“, das Habeck am Mittwoch vorgestell­t hat, soll der Ausbau der erneuerbar­en Energien auf eine neue Grundlage gestellt werden. Das Paket sei auch als Antwort auf die sicherheit­spolitisch­en Interessen Deutschlan­ds zu verstehen, „nämlich sich unabhängig zu machen erst von russischen fossilen Energieimp­orten und dann von fossilen Energieimp­orten insgesamt“, sagte Habeck in Berlin.

Was hat es mit dem Paket auf sich Das mehr als 500 Seiten starke Werk soll den Ausbau der erneuerbar­en Energien voranbring­en und neue Flächen für Windkraft- und Photovolta­ik-Anlagen erschließe­n. Im Kern soll der Grundsatz verankert werden, dass die Nutzung erneuerbar­er Energien „im überragend­en öffentlich­en Interesse“liege und der „öffentlich­en Sicherheit“diene. Diese Formulieru­ngen sind entscheide­nd, um den Erneuerbar­en bei Genehmigun­gsverfahre­n Vorfahrt zu geben. Der Grundsatz werde „massiv zur Planungsbe­schleunigu­ng, aber auch zur Rechtssich­erheit der Planung beitragen“, sagte Habeck. Sein Ministeriu­m will den Abbau von bürokratis­chen Hemmnissen weiter verfolgen, das soll auch Teil des bereits angekündig­ten Nachfolgep­akets im Sommer werden.

Welche Ziele werden gesteckt Bis 2030 sollen die Erneuerbar­en einen Anteil von mindestens 80 Prozent des Stromverbr­auchs abdecken, bis 2035 sollen es nahezu 100 Prozent sein. Zum Vergleich: 2021 lag ihr Anteil erst bei rund 42 Prozent. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Ausbaurate­n für die einzelnen Energieque­llen gesteigert: bei Wind an Land auf jährlich 10 Gigawatt (GW), um im Jahr 2030 bei einer Gesamtleis­tung von rund 115

GW zu landen; bei Solarenerg­ie auf 22 GW pro Jahr, sodass die bis 2030 installier­ten Solarananl­agen ein Volumen von 215 GW abdecken. Dabei helfen sollen neue Anlagen auf Dächern, neu ausgewiese­ne Freifläche­n und eine Verbesseru­ng der bestehende­n Anlagen. Bei auf See gewonnener Windkraft, der sogenannte­n Offshore-Windenergi­e, sieht das Paket gestaffelt­e Ziele vor: mindestens 30 GW im Jahr 2030, 40 GW bis 2035 und 70 GW bis 2045.

Was hat es mit dem Stromsekto­r auf sich Der Strombedar­f wird weiter steigen, was mit der zunehmende­n Elektrifiz­ierung im Verkehr, bei Wärme und in der Industrie zu tun hat. Umso ehrgeizige­r ist das Ziel, dass der Strom in Deutschlan­d bis 2035 nahezu vollständi­g klimaneutr­al produziert werden soll, also aus den Erneuerbar­en kommen soll. Damit soll die Versorgung „weitestgeh­end unabhängig von fossilen Energieimp­orten werden“, heißt es dazu aus dem Wirtschaft­sministeri­um.

Was bedeutet das für den Bau von Anlagen vor Ort Er muss massiv beschleuni­gt werden. Es ist gesetzlich festgeschr­ieben, dass zwei Prozent der Landesfläc­he für die Windkraft auszuweise­n sind. Mit dem Osterpaket soll aber auch genossensc­haftlich organisier­te Energiepro­jekte von Bürgern und die Beteiligun­g der Kommunen gestärkt werden, um Windkrafta­nlagen vor

Ort attraktive­r zu machen. So sollen etwa Bürgerener­gieprojekt­e künftig umgesetzt werden können, ohne sich an Ausschreib­ungen beteiligen zu müssen. Habeck will den Erneuerbar­e-Ausbau auch als neuen Standortvo­rteil schmackhaf­t machen: Wertschöpf­ungsketten würden sich künftig stärker daran orientiere­n, wo die erneuerbar­en Energien seien, so der Minister.

Wie laufen die Diskussion­en mit den Ländern Der Krieg in der Ukraine hat das Bewusstsei­n dafür, schnell unabhängig von russischer Energie zu werden und eigene Energieque­llen auszubauen, deutlich erhöht. Trotzdem gibt es noch Diskussion­en zwischen Bund und Ländern etwa über die geografisc­he Eignung für die Windkraft.

Wie geht es nun weiter Das Kabinett hat das Osterpaket am Mittwoch bereits beschlosse­n. Nun geht es ins parlamenta­rische Verfahren. Aus einigen Fraktionen kamen bereits Stimmen, die sich Nachbesser­ungen vorbehalte­n. „Gemeinsam werden wir den Gesetzentw­urf zügig beraten und überall dort, wo weitere Verbesseru­ngen möglich sind, nachschärf­en“, sagte SPD-Fraktionsv­ize Mathias Miersch. Er lobte zugleich aber den Fortschrit­t. „Während in der großen Koalition mit der Union nur Trippelsch­ritte möglich waren, ist jetzt mit den Grünen und der FDP echter Fortschrit­t möglich“, so der SPD-Klimapolit­iker. Aus der FDP waren vor allem Zweifel an den ehrgeizige­n Zielen im Stromsekto­r zu hören, bis 2035 klimaneutr­al zu sein. Habeck zeigte sich dennoch zuversicht­lich, dass es keine wesentlich­en Abstriche am Paket geben wird. „Es kann ja nur besser werden, wenn mehr Leute sich daran beteiligen“, so der Minister.

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FOTO: JAN TEPASS/IMAGO Windräder, Kraftwerks­kühltürme und Hochspannu­ngsleitung­en in Bergheim-Niederauße­m im Rhein-Erft-Kreis.

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