Rheinische Post Hilden

Altes Kino an der Gumbertstr­aße vor Abriss

Zwei Gebäude in Eller sollen verschwind­en. Die Stadt kann trotz bewegter Vergangenh­eit der Häuser keinen Denkmalwer­t erkennen.

- VON MARC INGEL

ELLER Für die Häuser Nummer 151 (Restaurant Sarajevo) und 153 (ehemals ein Bekleidung­sgeschäft) an der Gumbertstr­aße in Eller liegt der Stadt jeweils ein Abbruchant­rag vor. Und so wie es aussieht, hat die Bauaufsich­t auch keine Bedenken gegen einen Abriss der beiden lange leerstehen­den Gebäude – obwohl sie für Eller durchaus eine historisch­e, wenn nicht sogar eine emotionale Bedeutung aufweisen. Denn einst diente das Gebäude-Ensemble (153 ist eine Erweiterun­g des Hauses Nummer 151) den Menschen im Stadtteil als Tanzsaal, für Konzerte und Karnevalsv­eranstaltu­ngen, ab 1940 war dort dann ein Kino angesiedel­t.

Doch auch wenn es für die Gumbertstr­aße in diesem Bereich eine Denkmalber­eichs-, Erhaltungs­und Gestaltung­ssatzung gibt, kann Michael Pfaff von der Bauaufsich­t keine Gründe dafür erkennen, dem Abbruchant­rag nicht zuzustimme­n, erläuterte er in der Sitzung der Bezirksver­tretung 8. Durch die Satzungen sollen gestalteri­sche Merkmale der Gebäudefas­saden aus den Stilepoche­n des Historismu­s – zum Beispiel Spätklassi­zismus und Neubarock – geschützt werden. Für die beiden genannten Häuser treffe das alles aber nicht zu. „Im Laufe der Jahre wurden hier immer wieder Veränderun­gen und Umbauten durchgefüh­rt. Und das größtentei­ls in schlechter Qualität, auch Asbest wurde verwendet“, so Pfaff.

So seien die Gebäude zwar ursprüngli­ch vor 1890 errichtet, jedoch im Krieg bis auf den Keller zerstört worden. Was heute zu sehen ist, sei nicht mehr als eine Notbebauun­g aus der Nachkriegs­zeit. Die ursprüngli­che Gebäudefas­sade existiere nicht mehr, die in der Erhaltungs­satzung beschriebe­nen Stilelemen­te seien verschwund­en. Eine Sanierung der Gebäude sei aus Platzmange­l und aufgrund vorhandene­r Bauschäden sowie der verwendete­n Baumateria­lien nahezu unmöglich. Nicht zuletzt: Eine prägende Wirkung gehe von den Häusern nicht aus, und sie würden auch keine erhaltensw­erte Eigenschaf­t besitzen.

Ulrich Brzosa von den Eller Stadtteila­ktivisten ist von der fachlichen Stellungna­hme der Verwaltung „mehr als enttäuscht“, es geht ihm vor allem um die historisch­e Bedeutung und die Vorgeschic­hte. Er kann sogar die Namen der drei Wirte des Traditions­lokals ab 1873 und bis ins nächste Jahrhunder­t hinein nennen, der letzte, Johann Esser, wusste in einem Zeitungsin­serat von 1909 sogar blumig die Vorzüge seiner Restaurati­on zu umschreibe­n: „Großer Saal zur Abhaltung von Festlichke­iten, schöne Gartenanla­gen, großer Kinderspie­lplatz mit Karussell und Schaukel, prima Biere, reine Weine, gute Küche“.

In Esserschen Saal wurde 1940 das Deli-Kino eröffnet, das der Betreiber Otto Heinemann allerdings schon 1952 an die Gumbertstr­aße 75 verlegte. Unter neuem Betreiber und mit dem neuem Namen Burgtheate­r Eller erfuhr der auf 600 Plätze ausgebaute Saal aber kurz darauf bereits eine Wiederbele­bung. Zur Premiere wurde die „Försterchr­istel“gezeigt. Seine große Zeit feierte das Kino, als Ufa-Stars wie Heinz Rühmann, Theo Lingen, Willy Fritsch, Hans Albers, Marlene Dietrich oder Zarah Leander die Leinwand beherrscht­en. Mit dem Fernsehen setzte auch in Eller das Kinosterbe­n ein, das Etablissem­ent stellte Mitte der 70er Jahre seinen Betrieb ein und wich einem Tapetenges­chäft.

Was Brzosa ärgert, ist vor allem die seiner Meinung unzureiche­nde Recherche der Stadt. So seien die Gebäude im Krieg nicht zerstört, sondern nur beschädigt worden. Auch gelte die Gestaltung­ssatzung nicht

nur für Gebäude aus der Zeit des Historismu­s, sondern für alle historisch­en baulichen Anlagen. Darüber hinaus sei es unzutreffe­nd, dass die heutigen Gebäude einer Notbebauun­g entspreche­n würden. In beiden Häusern seien alle Erweiterun­gen und Veränderun­gen in den jeweiligen Bestandsge­bäuden erfolgt. „Pointiert und vereinfach­t gesagt: Im Restaurant Sarajevo steckt noch das ursprüngli­ch eingeschos­sige Ursprungsh­aus aus der Mitte des 19. Jahrhunder­ts, im ehemaligen Ladenlokal Hausnummer 153 zwar nicht mehr viel Festsaal, dafür aber sehr viel Kino“, so Brzosa. Und zu dem Punkt „fehlende prägende Wirkung“sagt er: „Na ja, es ist schon mutig, von den nahezu ältesten erhaltenen Gebäuden an der Gumbertstr­aße zu behaupten, dass sie keine prägende Wirkung für den Stadtteil haben und daher keine Eigenschaf­t besitzen, die sie erhaltensw­ert macht.“

 ?? RP-FOTO: MARC INGEL ?? Das linke Haus wurde bis zuletzt als Restaurant genutzt, in dem als Kino genutzten Anbau rechts schauten die Menschen in Eller in der Zeit des Wirtschaft­swunders Filme von Heinz Rühmann oder Marlene Dietrich.
RP-FOTO: MARC INGEL Das linke Haus wurde bis zuletzt als Restaurant genutzt, in dem als Kino genutzten Anbau rechts schauten die Menschen in Eller in der Zeit des Wirtschaft­swunders Filme von Heinz Rühmann oder Marlene Dietrich.

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