Zu Unrecht vergessen
Die Thomas-Hütte-Stiftung zeigt die fantastischen Werke des 1992 gestorbenen Bertram Jesdinsky.
NEUSS Thomas Schütte hat nur Fotos gesehen. Von den Werken Bertram Jesdinskys, die er an seinen Kurator für die Skulpturenhalle seiner Stiftung, Dieter Schwarz, weitergab. Nun, wo die Ausstellung hängt, diverse Leihgaben von Jesdinskys Kunst zusammengekommen sind, stellt er mit Erstaunen fest: „Dass 30 Jahre so frisch wirken können!“
Dem Bildhauer war zwar der Name geläufig, er hatte erfahren, dass Bertram Jesdinsky ein Schüler von Alfons Hüppi an der Kunstakademie und damit ein Kommilitone seiner Mitarbeiterin, der Künstlerin Maria Franziska von Hasselbach, war. Aber seine Kunst kannte er eher aus Beschreibungen. Auch wenn Jesdinsky zu jenen acht Künstlern gehörte, die 1988 die U-BahnStation Heinrich-Heine-Allee gestalten durften.
Jesdinsky ist 1992 gestorben, wurde nur 32 Jahre alt, war zu Beginn der 80er Mitgründer der „Anarchistischen Gummizelle“, mit der er Super-8-Filme produzierte und Bilder im öffentlichen Raum platzierte. Als Maler und Bildhauer präsentiert die Thomas-Schütte-Stiftung diesen Künstler, der in seinen Bildern merkwürdige Fabelwesen thematisierte. Ähnlich wie einst Tieren menschliche Züge zugedacht wurden. Auf seinen Bildern bekommen Busse zum Beispiel die Beine eines Drachen, entdeckt man eine Schlange oder eine Gans auf dem Dach. Farbenfroh und mit überwältigender Formensprache, die nur auf den ersten Blick kindlich erscheint, setzt er um, was ihn bewegt.
Jesdinsky baut malerisch Räume, lässt den Betrachter in ihnen spazieren gehen, erzählt Geschichten, die auf den ersten Blick alltäglich erscheinen. „Johann und Bertram spielen mit Bauklötzen“von 1983 ist ein großformatiges Bild, an dem der Maler sich und einen Mit-Künstler als Tier gemalt hat. Fantastisch in der Formensprache, aber sicher in der Anordnung von Details.
Jesdinsky blieb nicht bei der Malerei. Sondern setzte plastisch um, was seinen Raum und sein Denken beherrschte: fantastische Tierwesen, von denen die Ausstellung einige zeigt, die aus der Wirklichkeit kommen könnten. Jesdinsky spielte mit Materialien, setzte Pappe und Epoxidharz ein, nutzte Aluminiumfolie oder bearbeitete auch Holz, Eisen, Kupfer und Leinen. Ein auf dem Rücken liegendes Pferd („Das Bad auf der Wiese“) ist anatomisch ebenso genau wie das „Glücksschwein“, der Bär („Der große Fischzug“), die „Giraffe“und der „Hirsch“. Anatomisch genau wirken selbst die Fabelwesen wie das „Mondkalb“, der „Angler“oder der „Basilisk“.
Mit dieser Ausstellung, die auch einem der Brüder von Bertram Jesdinsky zu verdanken ist, holt die Skulpturenhalle einen zu Unrecht vergessenen Künstler zurück. Auf den Platz, der ihm gebührt.
Info Raketenstation Hombroich, Ecke Berger-/Lindenweg, Neuss, bis 7. August, freitags bis sonntags, 10 bis 18 Uhr, Eintritt fünf Euro