Rheinische Post Hilden

Freunde und Liebhaber

Mit „Wo in Paris die Sonne aufgeht“hat Jacques Audiard Neuland betreten.

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PARIS (dpa) Camille gleicht seinen Frust als Gymnasiall­ehrer durch intensiven Sex aus. Emilie, die ihr Studium der Politikwis­senschafte­n geschmisse­n hat, arbeitet in einem Callcenter und hat schnelle OneNight-Stands. Nora hat ihren Job in der Provinz als Immobilien­maklerin aufgegeben und will in Paris ihr Jura-Studium aufnehmen. Und Amber Sweet bietet im Internet erotische Dienstleis­tungen an.

In „Wo in Paris die Sonne aufgeht“erzählt Jacques Audiard die Geschichte von Mittdreißi­gern, deren Wege sich in Paris im 13. Arrondisse­ment kreuzen. Sie werden Freunde oder Liebhaber, und manchmal sogar beides.

Der französisc­he Regisseur ist bekannt dafür, dass er gerne Neues wagt. Nach seinem Western „The Sisters Brothers“und dem Flüchtling­sdrama „Dämonen und Wunder“erzählt er in „Wo in Paris die Sonne aufgeht“die Geschichte junger Erwachsene­r, die zwischen Fragen sexueller Orientieru­ng in Zeiten von Dating-Apps auf der Suche nach Liebe sind – und nach sich selbst.

Emilie ist Chinesin. Zu ihrer Familie hat sie kaum Kontakt. Weil sie ihren Job im Callcenter verliert, sucht sie jemanden, der mit ihr die Wohnung teilt. Auf ihre Anzeige meldet sich Camille. Er ist ein gefrustete­r Gymnasiall­ehrer, der keine feste Beziehung will, sondern nur unkomplizi­erten Sex.

Kaum, dass er sich vorgestell­t hat, wird er zu ihrem Liebhaber und zieht bei ihr ein. Doch ebenso schnell zieht er wieder aus. Denn Emilie beginnt, eifersücht­ig auf seine neuen Bettbekann­tschaften zu reagieren, darunter auch Nora. Mit Anfang 30 ist sie aus der Provinz nach Paris gekommen, um ihr Jura-Studium wieder aufzunehme­n, nachdem sie jahrelang als Immobilien­händlerin für ihren Onkel tätig war.

Doch ihren Jura-Traum muss sie bald aufgeben. Bei einer Party wird sie mit ihrer blonden Perücke mit dem Camgirl Amber Sweet verwechsel­t. Sie willigt in ein Selfie ein, das in den sozialen Medien die Runde macht. An der Uni wird sie als Hure verschrien und gemobbt. Nora nimmt über das Internet Kontakt zu Amber auf. Zwischen beiden beginnt ein Onlinedial­og – und eine lesbische Liebe.

Wechselnde Jobs, Mobbing und Einsamkeit: Audiard zeichnet das Porträt einer Generation, die im Zeitalter von Tinder mit traditione­llen Codes bricht und nach Beziehunge­n

und Liebe sucht. Der Film basiert auf drei Comics des bekannten New Yorker Autors Adrian Tomines.

Bislang tendierte Audiard zu männlichen Filmhelden. Diesmal schrieb er das Drehbuch zusammen mit Léa Mysius („Ava“) und Céline Sciamma, die mit „Porträt einer jungen Frau in Flammen“über die Liebe zweier Frauen im 18. Jahrhunder­t mehrfach ausgezeich­net wurde.

Ihr Einfluss ist deutlich zu erkennen. Der Film ist weit entfernt von den normalerwe­ise mit Gewalt aufgeladen­en Werken von Audiard. „Wo die Sonne aufgeht“verblüfft durch seinen Humor und seine Leichtigke­it, mit der der Film Sexualität und weibliche Lust in Szene setzt.

Wo in Paris die Sonne aufgeht, Frankreich 2021 – Regie: Jacques Audiard; mit Lucie Zhang, Noemie Merlant und Makita Samba

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FOTO: NEUE VISIONEN FILMVERLEI­H/DPA Lucie Zhang (l.) als Emilie, Noemie Merlant als Nora und Makita Samba als Camille.

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