NRW-Polizei fordert Arbeitszeitverkürzung
Als Maßnahme zur Haushaltssanierung war 2003 die Arbeitszeit von 38,5 auf 41 Stunden angehoben worden – vorübergehend, hieß es damals. Jetzt macht die Gewerkschaft der Polizei Druck auf die potenziellen Koalitionäre.
DÜSSELDORF Die Polizei in NRW will künftig weniger Stunden pro Woche arbeiten. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, sagte unserer Redaktion: „Der öffentliche Dienst muss wieder attraktiver werden. Die Zahl der Wochenarbeitsstunden wurde 2003 von der damaligen Landesregierung von 38,5 auf 41 hochgesetzt.“Es habe immer geheißen, es handle sich nur um eine vorübergehende Maßnahme zur Konsolidierung des Haushaltes. Doch aus dem vorübergehenden sei ein dauerhaftes Instrument geworden: „Das erschüttert das Vertrauen in unseren Arbeitgeber.“
Mertens verweist auf die jüngste Steuerschätzung, wonach die Einnahmen für den Landeshaushalt von 71 in diesem Jahr auf 84 Milliarden bis 2026 klettern sollen: „Die Zeit, in der die Landesbeschäftigten zur Konsolidierung beitragen mussten, ist damit vorbei.“Die Belastung vor allem bei den Polizeikräften
sei groß, sagt der Gewerkschaftschef: „Unsere Kripobeamten müssen sich mit Tötungs-, Gewaltund Sexualdelikten bis hin zu Kindesmissbrauch auseinandersetzen. Die Bereitschaftspolizei schafft am Tag 14 bis 16 Stunden. All dies passt nicht zusammen.“Mertens macht eine Rechnung auf: Gehe man der Einfachheit halber von 40 Arbeitswochen pro Jahr aus und rechne zweieinhalb Stunden mehr für 20 Jahre, dann ergeben sich unter dem Strich ein Jahr und drei Monate, die die Beschäftigten zusätzlich geleistet haben. „Es reicht jetzt“, sagt der GdP-Vorsitzende von NRW.
Ein Problembewusstsein bei der künftigen Landesregierung scheint durchaus vorhanden. So hatten die Sondierer von CDU und Grünen vereinbart, jährlich 3000 Polizeikräfte einzustellen und die Abbrecherquote bei der Polizeiausbildung zu senken. Das würde zwar langfristig Entlastung bringen, allerdings stehen diese Kräfte nicht ad hoc zur Verfügung. „Natürlich ist uns bewusst, dass die Neueinstellung eine gewisse
Zeit beanspruchen wird“, sagt auch Mertens: „Wir sind aber durchaus zu kreativen Lösungen bereit. Wir haben beispielsweise die Langzeitarbeitskonten. Man könnte deshalb zunächst weiter bei den 41 Stunden bleiben, würde aber die zusätzlichen angehäuften Stunden auf die Konten packen.“Dann könnten die Kollegen etwa zur Pflege Angehöriger oder zur Kinderbetreuung künftig, wenn Personal auskömmlich sei, auch mal für drei oder vier Monate ausscheiden. „Natürlich nur in Abstimmung mit der Dienststelle“, fügt Mertens hinzu.
Die GdP würde es sehr begrüßen, wenn dieser Punkt Einzug in den Koalitionsvertrag halten würde: „Das wäre eine echte Attraktivitätsoffensive. Die CDU hätte ja schon in der zurückliegenden Legislaturperiode die Chance gehabt, das durchzusetzen, hat sie aber verstreichen lassen. Wir legen ihr aber auch gerne ein zweites Mal den Ball auf den Elfmeterpunkt.“
Auch der Deutsche Beamtenbund warnt bereits seit Längerem, dass sich der Personalmangel im öffentlichen Dienst und damit auch bei der Polizei dramatisch zuspitze. Beamtenbund-Chef Ulrich Silbernagel warnte gar: „Der Staat fliegt uns um die Ohren.“
Eine zweite Möglichkeit zur Attraktivitätssteigerung wäre aus Sicht von Mertens ein sogenannter Ruhestandskorridor: „Die Lebensarbeitszeit wurde bei uns ja von 60 auf 62 Jahre angehoben, im Übrigen anders als bei der Feuerwehr, wo der Ruhestand weiterhin ab 60 Jahren eintritt. Wir finden es gut, wenn die Kollegen – wie jetzt schon möglich – selbst entscheiden könnten, ob sie mit 60 oder 65 in den Ruhestand gehen können, dann aber ohne Abzüge bei der Pension.“Den Hinweis, dass dann wohl niemand mehr länger als bis zum 61. Lebensjahr arbeiten werde, sagt Mertens: „Alleine die hohe Antragsquote derjenigen, die jetzt bis 65 verlängern wollen, zeigt doch, dass bei einem solchen Korridor nicht alle auf einen Schlag ausscheiden würden.“Die nordrheinwestfälische Landesregierung sollte für ein solches System einen entsprechenden Prüfauftrag vergeben, fordert der GdP-Chef.
Die geschäftsführende Landesregierung ließ eine Anfrage zum Thema bis zur Produktion dieser Zeitungsausgabe unbeantwortet. CDU und Grüne verhandeln derzeit in mehreren Arbeitsgruppen einen Koalitionsvertrag.