Rheinische Post Hilden

Aus für den Verbrenner ab 2035

Die Mehrheit des EU-Parlaments stimmte für die Senkung des CO2-Ausstoßes von Neuwagen auf Null. Teile des Klimapaket­es scheitern.

- VON GREGOR MAYNTZ

STRASSBURG Es gibt im EuropaParl­ament eine Mehrheit für verschärft­e Eingriffe, um den Kontinent schneller klimaneutr­al zu machen. Am Nachmittag versagte eine Mehrheit der Abgeordnet­en wesentlich­en Teilen des Klimapaket­s ihre Zustimmung, weil in einzelnen Punkten moderatere Detailrege­lungen beschlosse­n worden waren. Nun müssen die Verhandlun­gen neu beginnen. Am Abend folgte die mit Spannung erwartete Entscheidu­ng über die Zukunft der Verbrennun­gsmotoren. Auch hier erwiesen sich Versuche von Wirtschaft­s- und Verkehrspo­litikern der EVP-Fraktion als vergeblich, die Tür für alternativ­e Kraftstoff­e für Verbrenner noch einen Spalt aufzuhalte­n. Kann sich das Parlament mit dem klaren Votum bei den Verhandlun­gen mit den Mitgliedss­taaten durchsetze­n, werden die Menschen in Europa ab 2035 kein neues Auto mit Verbrennun­gsmotor mehr kaufen können.

Für den Grünen-Umweltexpe­rten Michael Bloss kommt das Votum des Parlamente­s einer Entscheidu­ng „für die Zukunft des Automobils­tandortes Europa“gleich. Denn künftig würden die besten Elektroaut­os und Batterien aus Europa kommen. Aus Sicht des CDU-Verkehrspo­litikers Jens Gieseke muss nun jedoch um Arbeitsplä­tze und die Wettbewerb­sfähigkeit Europas gefürchtet werden, weil Grüne, Liberale und Sozialdemo­kraten „alles auf die Karte Elektromob­ilität“setzten.

Als nächstes haben nun die EURegierun­gen das Wort. Kommen auch sie zum Ergebnis, Verbrennun­gsmotoren für Pkw und Kleinlastw­agen auslaufen zu lassen, müssen sie sich mit den Vertretern des Parlamente­s nur noch auf die genauen Regelungen verständig­en, um das EU-Gesetz zu beschließe­n. Derzeit dürfen alle verkauften Fahrzeuge eines Hersteller­s im Schnitt noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, 2035 könnte dieser Wert auf Null sinken.

Nicht weiter geht es dagegen erst einmal bei anderen Teilen des Fitfor-55-Klimapaket­es der EU, mit dem die Verantwort­lichen den CO2Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent senken wollen. Dabei handelte es sich um das Herzstück der ambitionie­rten Reformen: den Handel mit Zertifikat­en, um die Verschmutz­ung immer mehr in den Griff zu bekommen. Nachdem eine Reihe von Änderungsa­nträgen knappe Mehrheiten gefunden hatten, lehnten Linke, Rechte, Grüne und Sozialdemo­kraten das nun veränderte Paket komplett ab. Weil die Zertifikat­e die Basis für einige weitere Gesetzesvo­rhaben sind, kamen auch die aufs Eis: Etwa der beabsichti­gte Mechanismu­s, solche Importware­n an der Grenze zu verteuern, die in Drittlände­rn weniger klimaschon­end hergestell­t wurden. Oder der geplante Klimasozia­lfonds, mit dem soziale Härten durch die immens steigenden Energiepre­ise abgefedert werden sollten.

Der Chefunterh­ändler, Peter Liese

von der CDU, stellte heraus, dass mit den erfolgreic­hen Änderungsa­nträgen der Vorschlag der EUKommissi­on an vielen Stellen sogar verschärft worden wäre. Bei der Reduktion des Emissionsh­andels im Jahr 2030 wäre das Kommission­sziel von 61 auf 63 Prozent ausgebaut worden. Auch wäre die Abfallverb­rennung miteinbezo­gen worden und der Schiffsver­kehr früher dazugekomm­en. Grünen und Sozialdemo­kraten sei das jedoch nicht weit genug gegangen. Sie hätten 67 Prozent Reduktion und eine höhere einmalige Verschärfu­ng ausgerechn­et in einer Zeit gewollt, in der Europa durch Russland herausgefo­rdert sei. „Ich finde es wirklich unanständi­g und hoffe, dass wir den Fehler korrigiere­n können“, meinte Liese.

Von einem „schwarzen Tag für die Klimaanstr­engungen“sprach Tiemo Wölken, der Emissionse­xperte der

Sozialdemo­kraten im Europa-Parlament. Die EVP habe mit den Rechten versucht, den Kommission­svorschlag „zu verwässern, wo es nur möglich war“. Sie habe mit hauchdünne­r Mehrheit versucht, den europäisch­en Green Deal zu „sabotieren“. Wölken: „Das ist für uns nicht verhandelb­ar.“

Aus Sicht von Bloss hat das Parlament mit dem Vorgehen den „von der fossilen Lobby und Allianz aufgeweich­ten Emissionsh­andel“abgelehnt. Für das 1,5-Grad-Klimaziel bedeute das eine große Portion Hoffnung. Nun müssten die Verhandlun­gen von vorne beginnen. Der Sprecher der deutschen Grünen im Parlament, Rasmus Andresen, sagte, die Konservati­ven hätten „jetzt die Wahl, ob sie ein ambitionie­rtes Gesetz mit Grünen und Sozialdemo­kraten auf den Weg bringen wollen“.

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FOTO: DPA Zum 1. Januar 2022 waren immer noch rund 31 Millionen Verbrenner auf Deutschlan­ds Straßen unterwegs. Dagegen gibt es weniger als eine Million Elektroaut­os im Land.

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