Rheinische Post Hilden

Putin, der Hund und die tapfere Kanzlerin

Angela Merkel hat sich erstmals seit dem Ende ihrer Kanzlersch­aft einem Interview gestellt.

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN Da sitzt sie auf der Bühne des Berliner Ensembles, in diesem schönen Saal mit den prächtigen Balkonen. Ein passendes Ambiente. Blauer Blazer, schwarze Hose, Angela Merkel, wie man sie kennt. Vor einem halben Jahr hat sie an Olaf Scholz das Kanzleramt übergeben, das sie 16 Jahre lang führte. Erstmals steht sie Rede und Antwort, nachdem die Zeit des „Auslüftens“, wie sie mal gesagt hat, vorbei ist. Mal ist Merkel in unterhalts­amer Plauderlau­ne, mal wird sie vehement. Da hat jemand wieder Erklärungs­bedarf.

„Auslüften“– für Merkel bedeutete dies mehr Bewegung, vor allem an der Ostsee: „Ein richtig dickes Buch mal zu lesen, das war schön.“Sie hatte gedacht, dass ihr langweilig werden könnte. Wurde es aber nicht. Ostsee deshalb, „weil die Leute da an mich gewöhnt sind, darum sind sie auch sehr schweigsam“.

Die Fragen stellt ihr der Journalist und Schriftste­ller Alexander Osang, der Merkel mehrfach porträtier­t hat. Kurzweilig ist das Gespräch. „Wer bin ich heute?“, fragt Merkel sich sogar selbst. Die Antwort: „Ich bin Bundeskanz­lerin a. D. Ich bin keine ganz normale Bürgerin.“

Sie müsse weiterhin vorsichtig sein, sich zu äußern. „Das ist auch nicht meine Aufgabe, Kommentare von der Seitenlini­e zu geben“, sagt sie vehement: „Ich suche ja noch meinen Weg.“

Die Unterhaltu­ng ist durchaus wohlig. Man erlebt eine Altkanzler­in, die mit sich und ihrer Politik weitgehend im Reinen ist. „Ich werde mich auch nicht entschuldi­gen“, hebt sie hervor. Manch einer hatte das nach dem Beginn des UkraineKri­eges wegen ihrer Russlandpo­litik gefordert. Merkel stellt klar: Sie habe nie daran geglaubt, „dass Putin durch Handel gewandelt wird“. Sie habe gewusst, wie er denke, und habe immer versucht, eine Eskalation zu verhindern.

In Sotschi 2007, als Putin sie mit dem Hund einschücht­ern wollte, habe er ihr schon gesagt, dass der Zerfall der Sowjetunio­n für ihn das Schlimmste gewesen sei. Der Dissens habe sich über die Jahre immer fortentwic­kelt, am Ende sei es nicht gelungen, den Kalten Krieg tatsächlic­h zu beenden. Zum Hund sagt sie noch: „Eine tapfere Bundeskanz­lerin muss mit so einem Hund fertig werden.“Lachen im Publikum.

Merkel betont, es sei nicht gelungen, eine Sicherheit­sarchitekt­ur zu schaffen, die die Entwicklun­g hätte verhindern können. „Dieser Überfall auf die Ukraine findet keinerlei Rechtferti­gung, ein brutaler, das Völkerrech­te missachten­der Überfall.“Sie habe auch nicht den Eindruck, dass es etwas nütze, mit dem russischen Präsidente­n zu reden: „Es gibt wenig zu besprechen, schon gar nicht, ohne mit der Ukraine zu sprechen.“

Hat Putin gewartet, bis Merkel weg ist? „Kann sein, kann nicht sein.“Sie habe nun aber Vertrauen in die neue Bundesregi­erung. „Das müssen jetzt andere machen, ich kann erahnen, wie schwer das ist“, so Merkel. Besonders stolz ist sie darauf, dass sie freiwillig aufgehört hat: „Das ist auch ein schönes Gefühl.“

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FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Angela Merkel (CDU) spricht im Berliner Ensemble.

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