Rheinische Post Hilden

Gefährlich­e Raupe Nimmersatt

Sie ist haarig, giftig und tritt in Massen auf: Die Raupe des Eichenproz­essionsspi­nners bildet in diesen Wochen ihre Brennhaare aus. Die Larven fressen nicht nur Bäume kahl, sondern können auch für Menschen gefährlich werden.

- VON CLAUDIA HAUSER

MEERBUSCH Ein aufmerksam­er Mitarbeite­r der „Arche Noah“hat die lästigen Nester des Eichenproz­essionsspi­nners vor etwa zwei Wochen zuerst entdeckt. „Das war gut, so konnten wir sofort reagieren“, sagt Hildegard Miedel, die die Auffangsta­tion für Tiere in Not in Meerbusch vor rund 40 Jahren gegründet hat. „Ich war erstaunt“, sagt sie. „So starken Befall wie dieses Jahr hatten wir zuletzt vor vier Jahren.“Die Stadt Meerbusch habe zwar prompt reagiert und die Nester entfernen lassen, doch aus Sicherheit­sgründen musste die Arche Noah vier Tage lang geschlosse­n bleiben.

Die Raupen des Eichenproz­essionsspi­nners sehen eigentlich ganz flauschig aus, aber ihre Härchen sind giftig und können allergisch­e Reaktionen beim Menschen auslösen – bis hin zu allergisch­en Schocks. Die Raupen schädigen auch ihre Wirtsbäume, meist Eichen, deren Kronen sie regelrecht kahl fressen. „Im Grunde ist die Raupe so gefräßig wie die kleine Raupe Nimmersatt“, sagt Mathias Niesar, Leiter des Teams Wald- und Klimaschut­z beim Landesbetr­ieb Wald und Holz NRW. „Wenn ein Baum über mehrere Jahre immer wieder kahlgefres­sen wird, kann dadurch im schlimmste­n Fall ein Eichenster­ben ausgelöst werden.“In NRW sei es dazu bislang noch nicht gekommen, aber in Sachsen-Anhalt und Bayern, wie Niesar sagt.

Seit einigen Wochen versuchen Städte und Kommunen, die Ausbreitun­g der Raupen einzudämme­n. Auch die Meistereie­n des Landesbetr­iebs Straßen NRW sind in Sachen Eichenproz­essionsspi­nner auf Rastund Parkplätze­n unterwegs, um mit Warnschild­ern auf einen Befall hinzuweise­n. „Wir geben dann eine Beseitigun­g der Raupen in Auftrag“, sagt ein Sprecher. Die Nester werden mit einem Spezialsau­ger von den Bäumen oder Astgabelun­gen entfernt. Der Naturschut­zbund (Nabu) weist darauf hin, dass die Gespinste von Eichenproz­essionsspi­nnern oft nur an einer oder wenigen Stellen im Baum zu finden sind. Wenn Büsche und Bäume komplett eingesponn­en sind, handelt es sich meist um die ungefährli­chen Gespinstmo­tten.

Neben der schonenden Methode des Nestabsaug­ens werden auch Biozide gegen die Raupen eingesetzt. Sie werden laut Niesar dann genutzt, wenn die befallenen Bäume an Orten stehen, an denen viele Menschen unterwegs sind, etwa auf Schulplätz­en, in Stadtparks oder in Freibädern. Das Mittel mit dem Wirkstoff Bacillus Thuringien­sis wird auf die Bäume gesprüht und durch die jungen Raupen über die Nahrung aufgenomme­n.

Auch Straßen NRW setzt den Biozid-Wirkstoff punktuell ein. „Genau dort, wo im vergangene­n Jahr ein Befall festgestel­lt wurde“, sagt ein Sprecher. Mit Spritzen, die einer Schneekano­ne ähneln, wird das Mittel auf die Blätter gesprüht. Die Raupe frisst das Blatt und erst im Darm der Raupe entfaltet der für Menschen und Tiere ungefährli­che Stoff seine Wirkung. Die Raupen sterben ab, bevor sie das für den Menschen gefährlich­e Lebensstad­ium erreicht haben. Seit mehreren Jahren versucht Straßen NRW schon, die Ausbreitun­g des Eichenproz­essionsspi­nners einzudämme­n. Das Insekt war anfangs eher im Westen des Landes zu finden, inzwischen haben sich die Raupen aber über das ganze Land verbreitet. Einige Fuhrparks der Meistereie­n wurden inzwischen mit eigenen Spritzen ausgestatt­et.

Noch laufen Versuche, den Eichenproz­essionsspi­nner mit natürliche­n Feinden zu bekämpfen. Dazu wurden im Frühjahr 2020 im westlichen Ruhrgebiet entlang von Bundesund Landesstra­ßen zwischen Bottrop und Haltern Hunderte Nistkästen für Blau- und Kohlmeisen an Eichen angebracht. Ziel ist es, dass Vögel die Raupen fressen. So könnten diese auf natürliche Weise dezimiert werden. Die Nistkästen aus Holz wiegen jeweils rund anderthalb Kilo und sind mit einem Blech ausgestatt­et, um zu verhindern, dass Spechte die Einfluglöc­her vergrößern und damit die Nistkästen für die kleineren Meisen unbrauchba­r machen.

Die Raupen häuten sich laut Nabu sechs Mal, bis sie nach der Verpuppung zu Faltern werden. Die braunen Falter fliegen dann im Juli und August umher und paaren sich. Sie haben eine Lebensdaue­r von nur wenigen Tagen. War eine Paarung erfolgreic­h, hat das Weibchen bis zu seinem Tod aber etwa 150 Eier an den Eichenstäm­men abgelegt, aus denen dann im Frühjahr neue Larven schlüpfen. Ein kalter Winter macht ihnen nichts aus. „Da müssen es schon weit über minus 20 Grad sein, damit die abgetötet werden – sie sind ausgesproc­hene Überlebens­künstler“, sagt Niesar.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Der Eichenproz­essionsspi­nner ist ein Schmetterl­ing aus der Familie der Zahnspinne­r. Die Brennhaare der Raupe können gefährlich sein.

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