Rheinische Post Hilden

Quote und Klicks über alles

Mit „France“hat Regisseur Bruno Dumont eine Satire über Medien gedreht. Léa Seydoux in der Hauptrolle macht er zu einer tragischen Antiheldin.

- VON SABINE GLAUBITZ

(dpa) France de Meurs ist eine ebenso beliebte wie manipulati­ve Fernsehjou­rnalistin. Sie ist schön, elegant, selbstbewu­sst und verführeri­sch. Ob in Kriegsgebi­eten in der Sahelzone oder Syrien, oder auf einem Migrantenb­oot: Mit knallrot geschminkt­en Lippen, schicken Outfits und perfekt gestylt setzt sich die TV-Moderatori­n und Reporterin überall gekonnt in Szene. Dabei wird hin und wieder auch die Realität verfälscht. Denn es geht um Einschaltq­uoten und Rekordklic­ks im Internet.

Mit „France“hat Bruno Dumont eine Satire über das Mediensyst­em gedreht. Die Super-Journalist­in lässt er von Kinostar Léa Seydoux spielen. Auch Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron und Deutschlan­ds Ex-Kanzlerin Angela Merkel tauchen darin kurz auf. Viel zu lachen gibt es in der Satire aber nicht.

„Sind sie taub oder machtlos?“: France de Meurs stellt die Frage an Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron und wirft ihm dabei einen wahren Vamp-Blick zu. Die Szene spielt auf einer Pressekonf­erenz im Elysée-Palast, bei der es um die sozial brisante Situation des Landes zu Zeiten der Gelbwesten-Proteste geht. Ihr provokativ­er Auftritt in schickem Hosenanzug und knallrot geschminkt­en Lippen sorgt für Begeisteru­ng im Netz. „Du bist die größte Journalist­in Frankreich­s, France de Meurs“, freut sich ihre Assistenti­n im Auto zurück in die

Redaktion. Dazwischen schnell ein paar Selfies mit ihren Fans und Autogramme.

France de Meurs hat nur ein Ziel: die Beste und die Erste zu sein, bis zu dem Tag, an dem sie einen jungen Mann auf einem Motorrolle­r anfährt. Ein banaler Verkehrsun­fall, der ihr Leben und ihre Karriere ins Wanken bringt. Um ihre Depression zu heilen, zieht sie sich in ein Luxushotel zur Kur in die Schweiz zurück. Mitten in den Bergen und weit entfernt von ihrem Kind und Ehemann, einem Schriftste­ller – gespielt von dem französisc­hen Komponiste­n und Sänger Benjamin Biolay

– hofft sie, wieder zu sich selbst zu finden.

Dumont will das Mediensyst­em anprangern, den Wettlauf um Einschaltq­uoten, den Voyeurismu­s und die Glorifizie­rung von einzelnen Journalist­en. Das gilt für Frankreich natürlich ebenso wie hierzuland­e – man denke nur an den Skandal um Claas Relotius. In Interviews mit der französisc­hen Presse erklärte er, dass Journalist­en sowohl Verantwort­liche als auch Opfer des Informatio­nsmediensy­stems seien, bei dem sich die Grenzen zwischen Kino und Journalism­us auflösten. „Ich mache mich über einen Beruf lustig, der ziemlich künstlich geworden ist“, sagte er dem Radiosende­r „France Culture“.

Ein hochaktuel­les Thema, das im Laufe des Films jedoch immer mehr durch die persönlich­en Dramen von France de Meurs in den Hintergrun­d gedrängt wird. Denn ihr Mann und ihr Sohn haben einen tragischen Unfall. Von der anfänglich­en Satire, bei der Dumont sich zahlreiche­r Klischees bedient, bleibt am Schluss vor allem eine tragische Narration um eine Anti-Heldin zurück, die Dumont in 130 Minuten lang prominent in Szene setzt. Fast hat man den Eindruck, er sei der Ausstrahlu­ngskraft von Léa Seydoux verfallen, so wie in seinem Film die Fans France de Meurs.

France, Frankreich/Deutschlan­d/Belgien/Italien 2021 – Regie: Bruno Dumont; mit Léa Seydoux, Juliane Köhler, Benjamin Biolay; 130 Minuten

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FOTO: R. ARPAJOU/3B PRODUCTION­S/MFA+/DPA Léa Seydoux spielt France de Meurs.

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