Teures Schulmaterial belastet Familien
Laut einer Umfrage der NRW-Landeselternkonferenz erreichen die Kosten pro Jahr und Kind leicht die Höhe eines Monatsgehalts. Das sei „fern von Lernmittelfreiheit“. Der Lehrerverband sieht die Politik gefordert.
DÜSSELDORF Nicht für nur Hefte, Stifte, Marken-Malkästen und Schullektüre müssen Eltern zahlen. Im Laufe eines Jahres werden sie immer mal wieder zur Kasse gebeten – für Kopien, die Gestaltung besonderer AGs, Ausflüge und Klassenkasse. Der Dachverband der Kreis- und Stadtschulpflegschaften in NRW, die Landeselternkonferenz (LEK), hat bei einer Umfrage ermittelt, was Familien wirklich fürs Schulleben ausgeben. Die Auswertungen liegen unserer Redaktion vor.
Allein für Dinge wie zusätzliche Arbeitsoder Grammatikhefte, Schulplaner oder Materialien für Kunst-, Musik- oder Naturwissenschaftsunterricht kommen demnach für Eltern von Grundschulkindern durchschnittliche Beträge zwischen etwa 150 und 200 Euro im Jahr zusammen. An weiterführenden Schulen sind es 200 bis 350 Euro. Die Grundausstattung wie das Sportzeug oder der Tornister ist dabei nicht eingerechnet. Die Tendenz sei steigend:
Früher seien vielleicht mal fünf Euro „Kopiergeld“eingesammelt worden, sagt die LEK-Vorsitzende Anke Staar. „Jetzt sind es an vielen Schulen zwischen 15 und 20 Euro.“Klassenfahrten kosteten in etwa zwischen 120 und 450 Euro, zuzüglich Taschengeld.
Besonders teuer sind Posten wie die Anschaffung digitaler Endgeräte, Tickets für den Nahverkehr, Betreuung, Mittagsverpflegung oder Nachhilfe. Diese größeren Ausgaben fallen natürlich nicht für jeden an. Den Durchschnittswerten nach aber könne rund ums Thema Schule aufs Jahr gerechnet insgesamt leicht ein Monatsgehalt fällig werden, so Anke Staar: „Da ist man mit 2500 bis 4000 Euro locker dabei, es geht auch noch mehr.“Zwar gebe es für vieles Zuschüsse. „Das hilft aber nur Familien, die wirklich ein sehr schmales Einkommen haben.“
Die Umfrage deckt zudem große individuelle Unterschiede auf, je nachdem, wie teuer an einer Schule etwa Klassenfahrten werden oder ob es besondere Sport- oder Musikangebote
gibt, für die extra gezahlt wird. Gerade das beklagt nun aber die Landeselternkonferenz: Wo es eine finanzstarke Elternschaft oder engagierte Fördervereine gibt, da gebe es mehr Chancen für die Kinder. Spektakulärere Touren, aufwendigeren Unterricht. „An Standorten, an denen viele Eltern kein Geld für ein ÖPNV-Ticket haben, scheitern schon einfache Tagesausflüge.“
Das Land hält nicht nach, ob und für was die Schulen die Eltern finanziell in die Pflicht nehmen. Über Geldsammlungen entscheide die Schulkonferenz, erklärt das Schulministerium dazu. „Hierbei ist der Grundsatz der Freiwilligkeit zu beachten.“Sammlungen seien zulässig, wenn ihr Zweck mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag vereinbar sei.
Für die Bildungsforscherin Claudia Schuchart, Professorin an der Uni Wuppertal, ist die Ungleichheit zunächst mal eine Tatsache. „Natürlich ist es ganz offensichtlich, dass das Geld der Eltern eine Rolle spielt – bei der Lernmittelfinanzierung und auch dabei, was für Projekte eine Schule anstoßen kann. Das ist keine besonders geheimnisvolle Beziehung“, sagt sie. „Und es ist auch etwas traurig, dass es in unserem Land so ist.“Allerdings sei es nicht zu belegen, dass das am Ende für den Bildungserfolg von jungen Menschen ausschlaggebend sei. „Das ist nicht die Schraube, an der sich die Unterrichtsqualität entscheidet.“ Bei dieser gehe die Schere vielmehr zwischen verschiedenen Schulformen auseinander – wobei Gymnasien übrigens laut Schuchart vorne liegen.
Der Präsident des Lehrerverbandes NRW, Andreas Bartsch, sieht die nächste Landesregierung gefordert, eine neue Schulfinanzierung zu finden, die ungleiche Rahmenbedingungen gezielt ausgleicht. „Den Blick dafür müssen wir schärfen“, sagt er: „Der Staat hat die Verpflichtung, für eine flächendeckende Vergleichbarkeit zu sorgen.“Die Landeselternkonferenz will das Thema nun bei ihrer Jahresversammlung vor Vertretern der Politik auf den Tisch bringen.
Das Prinzip der „Lernmittelfreiheit“in NRW bezieht sich übrigens lediglich auf die Anschaffung von Schulbüchern. Alles andere – seien es Gebrauchs- und Übungsmaterialien für den Unterricht oder technische Geräte – zählt als „persönliche Ausstattung“, für die jeder privat zu sorgen hat. Digitale Endgeräte fallen auch nicht darunter.