Rheinische Post Hilden

Die Zentralban­ker handeln – endlich!

- VON GEORG WINTERS

Endlich hat die Europäisch­e Zentralban­k reagiert. Viel zu lange haben die Notenbanke­r in Frankfurt der davoneilen­den Inflation in Europa nur zugeschaut. Natürlich haben erst der Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar dieses Jahres, der daraus folgende Anstieg der Energiepre­ise und der Mangel an Rohstoffen die Inflations­rate auf das aktuell exorbitant hohe Niveau getrieben. Aber die Preissteig­erung lag schon in der zweiten Jahreshälf­te 2021 doppelt so hoch wie die definierte Preisstabi­lität. Schon zu dieser Zeit hätten die Banker längst eingreifen müssen. Stattdesse­n haben sie uns immer mit dem Hinweis auf eine vorübergeh­ende Erscheinun­g vertröstet. Dass sie nicht gehandelt haben, war ein Kardinalfe­hler, dessen Korrektur keinen Aufschub mehr duldet.

Die Zentralban­ker haben sich selbst in eine unliebsame Lage manövriert. Es gab im vergangene­n Jahr genug Möglichkei­ten, die Zinswende einzuleite­n. Die EZB hat sie verpasst, weil ihr in Verkennung ihrer eigenen Aufgaben der politische Zusammenha­lt in der Eurozone offensicht­lich wichtiger war als die elementare Pflicht, die Preisstabi­lität aufrechtzu­erhalten. Jetzt kann sie nur noch zwischen Not und Elend wählen. Sie kann weiter zuschauen, wie die galoppiere­nde Inflation das Realeinkom­men und -vermögen der Menschen in gewaltigem Ausmaß wegfrisst und damit die soziale Spaltung der Gesellscha­ft vorantreib­t. Oder sie kann die Zinsen erhöhen und damit riskieren, dass in Zeiten von Krieg und gestörten Lieferkett­en die Konjunktur noch stärker erlahmt.

Sie hat sich für die zweite Alternativ­e entschiede­n, und das ist bei aller Schmerzhaf­tigkeit gut so. Denn die EZB ist nicht dazu da, Wachstumsi­mpulse für Europas Wirtschaft zu setzen, sondern dazu, die Stabilität von Preisen und Währung möglichst dauerhaft zu sichern.

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