Kontakt zu Putin, solange es nötig ist
Der deutsche Bundeskanzler hat mit Wladimir Putin telefoniert. Der französische Präsident auch. Gute Nachrichten brachten sie nicht mit, aber eine Einschätzung, wie der Aggressor im Krieg gegen die Ukraine die Lage sieht. Der polnische Präsident hat die Telefonate jetzt drastisch kritisiert. „Hat jemand so mit Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg gesprochen? Hat jemand gesagt, dass Adolf Hitler sein Gesicht wahren können muss?“
Den deutschen Kanzler zu beschuldigen, er erkenne die historische Parallele nicht und mache gemeinsame Sache mit einem Nazi der Gegenwart, ist eine Beleidigung. Dahinter steht wohl die polnisch betrachtet zu nachsichtige Haltung Deutschlands gegenüber Russland. Dass hierzulande auch darüber diskutiert wird, welcher Weg aus diesem Krieg führen könnte, wird in Polen bestenfalls als mangelnde Entschlossenheit gewertet, eher wohl als Opportunismus. Allerdings ist es eine Unterstellung, die Telefonate von Scholz und Macron dienten der Gesichtswahrung. Wem gegenüber wollte Putin sich damit brüsten? Im eigenen Land verkündet sein Propagandaapparat sowieso, was er will. Und jenseits dieser Einflusssphäre ist klar, dass westliche Regierungschefs nicht bei Putin anrufen, um ihm zu hofieren, sondern aus taktischen Gründen. Es ist ein Mittel, den Aggressor immer wieder neu einzuschätzen. Es aus der Hand zu geben, wäre fahrlässig.
Nach allem, was man hört, ist Putin im Kreml immer noch der einsame Entscheider mit einer aus Ideologie, Großmachtfantasien und Misstrauen gesättigten Weltsicht. Es ist also aufschlussreich, was und wie er redet – auch am Telefon. Europa hat ein eigenes Interesse daran, dass Russland den Krieg so weit verliert, dass es auf lange Sicht nicht mehr zu Angriffen ausholt. Doch Wunschdenken schafft noch keine Realität. Aktuell sitzt Putin gut verschanzt im Kreml und glaubt die Zeit auf seiner Seite. Zu so einem Kriegsführer sollte man den Kontakt halten, solange es nötig ist.