Ampelkoalition zeigt Verständnis für vorsichtige EZB
BERLIN Finanzpolitiker der Berliner Ampelkoalition haben die angekündigte Leitzinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag begrüßt. „Ursachen für die hohen Teuerungsraten sind die hohen, kriegsbedingten Energiepreise und die pandemiebedingten Störungen der Lieferketten, nicht die Geldpolitik der EZB“, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPDBundestagsfraktion, Michael Schrodi, unserer Redaktion. „Eine schnelle Erhöhung des Leitzinses würde nicht die Inflation bekämpfen, aber der wirtschaftlichen Erholung schaden“, sagte er weiter.
Die EZB will ihren Leitzinssatz erstmals seit elf Jahren im Juli von null auf 0,25 Prozent erhöhen. Für Kritiker wie den Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, kommt die Erhöhung angesichts des starken Inflationsdrucks in Europa zu spät. „Dass die EZB von einer Zinsanhebung abgesehen hat und diese erst für die nächsten Monate ankündigt, erhöht die geldpolitischen Risiken unnötig“, sagte Kooths. Bei SPD und Grünen in Berlin gibt es dagegen Verständnis für das behutsame Vorgehen der Notenbank. EZB-Präsidentin Christine Lagarde kündigte einen weiteren – womöglich größeren – Zinsschritt für September an.
„Die vorsichtige Zinsentscheidung der EZB kommt nicht überraschend und ist Mittel der Geldpolitik, die Inflation zu dämpfen, ohne die wirtschaftliche Erholung nach Corona zu gefährden“, sagte auch der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, Dieter Janecek: „Da die Inflation vorrangig durch die fossilen Energiepreise sowie globale Störungen in der Lieferkette getrieben ist, sind die Spielräume der EZB allerdings begrenzt.“
Auch die FDP begrüßte die Beschlüsse. „Die EZB-Entscheidung ist richtig und überfällig. Die erste Zinserhöhung in über zehn Jahren und das absehbare Ende der Anleihenkäufe zeigen den Weg zurück in die Normalität“, sagte FDP-Finanzsprecher Markus Herbrand: „Unternehmerische Entscheidungen und die finanzielle Verantwortung hierfür müssen endlich wieder Hand in Hand gehen, anstatt sich weiter auf das süße Gift des billigen Geldes zu verlassen.“Die von den Anleihekäufen der EZB entlasteten Staaten müssten damit aufhören, notwendige Reformen immer weiter in die Zukunft zu verlagern und akute Probleme mit Geld zu überdecken: „Die Inflationsraten auf Rekordniveau sind auch Ergebnis von Fehlern aus der Vergangenheit und zu viel eigener Bequemlichkeit. Es ist gut, dass dieser Blase nun endlich die Luft abgelassen wird.“
Die Inflationsrate in Deutschland betrug im Mai nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Entspannung an der Preisfront ist angesichts weiterhin hoher Energie- und Nahrungsmittelpreise weiterhin noch nicht in Sicht. Die Ampel-Parteien ziehen daraus allerdings unterschiedliche Schlüsse.
„Mittelfristig sind der konsequente Ausbau der erneuerbaren Energien, Energieeffizienz sowie eine Diversifizierung der Außenhandelsund Importstrategie die richtigen Hebel, die Inflation dauerhaft in den Griff zu kriegen. An der zweifelhaften Wirkung des Tankrabatts kann man aktuell erkennen, wie schwierig es ist, wenn der Staat aktiv in die Preisgestaltung eingreift“, sagte Grünen-Politiker Janecek.
SPD-Politiker Schrodi bekräftigte die Forderung seiner Partei nach einer Übergewinnsteuer für Unternehmen. „Um kurzfristig die hohen Preissteigerungen für die Bürgerinnen und Bürger abzufedern, sind finanzielle Unterstützungsmaßnahmen, wie die von der Bundesregierung beschlossenen Energiepreispakete, notwendig. Zur Gegenfinanzierung kann die zeitlich befristete, höhere Besteuerung von krisenbedingten Unternehmensgewinnen vor allem der Mineralölkonzerne dienen“, sagte Schrodi.