Langer Streit ums Highspeed-Surfen
Ein „Recht auf schnelles Internet“klingt gut. Die Praxis sieht oft anders aus. Die Bundesländer fordern mehr Tempo.
BERLIN (dpa) Wie schnell muss ein Internetanschluss sein, um Nutzer nicht auszugrenzen und sie zu benachteiligen? Diese Frage beschäftigt seit Monaten die Politik in Deutschland. Während in gut ausgebauten Straßenzügen von den Anbietern Top-Geschwindigkeiten von 1000 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) versprochen werden, kommt bei Hunderttausenden Haushalten nur ein Bruchteil davon an. An diesem Freitag steht das „Recht auf schnelles Internet“, das eigentlich besser „Recht auf ein nicht so extrem lahmes Internet“heißen sollte, auf der Tagesordnung des Bundesrats. Die Länderkammer diskutiert, welche technischen Anforderungen ein Internetanschluss in Deutschland mindestens überall erfüllen sollte – überspitzt formuliert: auch in jedem Dorf und an jeder Milchkanne.
Die technischen Vorgaben hierfür kommen von der Bundesnetzagentur. Im Bundestag stießen die von ihr gemachten Vorgaben im
Fachausschuss Digitales auf Zustimmung. Doch auch der Bundesrat muss grünes Licht geben. Und Länder wie Bayern und Niedersachsen sehen sie als viel zu niedrig an. Bayerns Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU) verwies am Donnerstag darauf, dass die EUKommission seit zehn Jahren das „schnelle Internet“mit 30 Mbit/s – also dem dreifachen Wert der Vorgabe – definiere: „Und auch das ist nicht mehr zeitgemäß. Es ist schwer zu begreifen, dass der Bund im Jahre 2022 nun zu dem Schluss kommt, zehn Mbit/s wären schnell genug.“
Auch bei den Beratungen der beiden zuständigen Bundesratsausschüsse wurden deutlich höhere Ziele angepeilt. Der Verkehrsausschuss forderte mehrheitlich ein Tempo von 30,8 Megabit im Download - also mehr als dreimal so viel wie die Bundesregierung beabsichtigt. Das Upload-Minimum soll von 1,7 auf 5,2 Megabit steigen. Der Verbraucherschutz-Ausschuss verlangte ähnlich hohe Werte. Die Bundesratsausschüsse wollen außerdem das Wort „regelmäßig“aus der Verordnung streichen, was weitreichende Konsequenzen hätte. Damit müssten die festgelegten Mindestgeschwindigkeiten viel strenger eingehalten werden als im Entwurf der Bundesnetzagentur. Unterstützt werden die Bundesländer von den Verbraucherschützern: Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) forderte ebenfalls Nachbesserungen, unter anderem höhere anfängliche Bandbreiten. Auch müssen die Mindestanforderungen stets eingehalten werden. Alle Menschen in Deutschland müssen endlich flächendeckend Zugang zum Internet haben, erklärte VZBVVorständin Jutta Gurkmann: „Der Kabinettsentwurf eröffnet jedoch die Möglichkeit, die festgelegten Mindestvorgaben durch eine Öffnungsklausel noch weiter zu unterschreiten.“
Wie die Abstimmung im Bundesrat an diesem Freitag ausgehen wird, ist offen. Bis vor Kurzem gingen viele Beobachter davon aus, dass die Pläne der Bundesregierung für das
Recht auf schnelles Internet im Bundesrat zu scheitern drohen. Für einen Meinungsumschwung in letzter Minute könnte allerdings ein Brandbrief aus dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr an die Landesregierungen sorgen.
In dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, weist Staatssekretär Stefan Schnorr die Länder sehr undiplomatisch darauf hin, dass die geforderten höheren Anforderungen nicht möglich seien: „Dies erlaubt weder der nationale noch der europäische gesetzliche Rahmen.“Die geforderten Verbesserungen gingen über den gesetzlichen Anspruch einer Mindestversorgung weit hinaus: „Zudem hätte eine Anhebung der Werte eine nachhaltige Beeinträchtigung des Gigabitausbaus in der Fläche zur Folge.“Zuvor hatten bereits die Branchenverbände deutlich gemacht, dass die Erhöhung der Mindestanforderungen den Glasfaserausbau ausbremse, weil dann Gelder anders eingesetzt werden müssten als geplant.