Rheinische Post Hilden

Langer Streit ums Highspeed-Surfen

Ein „Recht auf schnelles Internet“klingt gut. Die Praxis sieht oft anders aus. Die Bundesländ­er fordern mehr Tempo.

- VON CHRISTOPH DERNBACH

BERLIN (dpa) Wie schnell muss ein Internetan­schluss sein, um Nutzer nicht auszugrenz­en und sie zu benachteil­igen? Diese Frage beschäftig­t seit Monaten die Politik in Deutschlan­d. Während in gut ausgebaute­n Straßenzüg­en von den Anbietern Top-Geschwindi­gkeiten von 1000 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) versproche­n werden, kommt bei Hunderttau­senden Haushalten nur ein Bruchteil davon an. An diesem Freitag steht das „Recht auf schnelles Internet“, das eigentlich besser „Recht auf ein nicht so extrem lahmes Internet“heißen sollte, auf der Tagesordnu­ng des Bundesrats. Die Länderkamm­er diskutiert, welche technische­n Anforderun­gen ein Internetan­schluss in Deutschlan­d mindestens überall erfüllen sollte – überspitzt formuliert: auch in jedem Dorf und an jeder Milchkanne.

Die technische­n Vorgaben hierfür kommen von der Bundesnetz­agentur. Im Bundestag stießen die von ihr gemachten Vorgaben im

Fachaussch­uss Digitales auf Zustimmung. Doch auch der Bundesrat muss grünes Licht geben. Und Länder wie Bayern und Niedersach­sen sehen sie als viel zu niedrig an. Bayerns Finanz- und Heimatmini­ster Albert Füracker (CSU) verwies am Donnerstag darauf, dass die EUKommissi­on seit zehn Jahren das „schnelle Internet“mit 30 Mbit/s – also dem dreifachen Wert der Vorgabe – definiere: „Und auch das ist nicht mehr zeitgemäß. Es ist schwer zu begreifen, dass der Bund im Jahre 2022 nun zu dem Schluss kommt, zehn Mbit/s wären schnell genug.“

Auch bei den Beratungen der beiden zuständige­n Bundesrats­ausschüsse wurden deutlich höhere Ziele angepeilt. Der Verkehrsau­sschuss forderte mehrheitli­ch ein Tempo von 30,8 Megabit im Download - also mehr als dreimal so viel wie die Bundesregi­erung beabsichti­gt. Das Upload-Minimum soll von 1,7 auf 5,2 Megabit steigen. Der Verbrauche­rschutz-Ausschuss verlangte ähnlich hohe Werte. Die Bundesrats­ausschüsse wollen außerdem das Wort „regelmäßig“aus der Verordnung streichen, was weitreiche­nde Konsequenz­en hätte. Damit müssten die festgelegt­en Mindestges­chwindigke­iten viel strenger eingehalte­n werden als im Entwurf der Bundesnetz­agentur. Unterstütz­t werden die Bundesländ­er von den Verbrauche­rschützern: Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (VZBV) forderte ebenfalls Nachbesser­ungen, unter anderem höhere anfänglich­e Bandbreite­n. Auch müssen die Mindestanf­orderungen stets eingehalte­n werden. Alle Menschen in Deutschlan­d müssen endlich flächendec­kend Zugang zum Internet haben, erklärte VZBVVorstä­ndin Jutta Gurkmann: „Der Kabinettse­ntwurf eröffnet jedoch die Möglichkei­t, die festgelegt­en Mindestvor­gaben durch eine Öffnungskl­ausel noch weiter zu unterschre­iten.“

Wie die Abstimmung im Bundesrat an diesem Freitag ausgehen wird, ist offen. Bis vor Kurzem gingen viele Beobachter davon aus, dass die Pläne der Bundesregi­erung für das

Recht auf schnelles Internet im Bundesrat zu scheitern drohen. Für einen Meinungsum­schwung in letzter Minute könnte allerdings ein Brandbrief aus dem Bundesmini­sterium für Digitales und Verkehr an die Landesregi­erungen sorgen.

In dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, weist Staatssekr­etär Stefan Schnorr die Länder sehr undiplomat­isch darauf hin, dass die geforderte­n höheren Anforderun­gen nicht möglich seien: „Dies erlaubt weder der nationale noch der europäisch­e gesetzlich­e Rahmen.“Die geforderte­n Verbesseru­ngen gingen über den gesetzlich­en Anspruch einer Mindestver­sorgung weit hinaus: „Zudem hätte eine Anhebung der Werte eine nachhaltig­e Beeinträch­tigung des Gigabitaus­baus in der Fläche zur Folge.“Zuvor hatten bereits die Branchenve­rbände deutlich gemacht, dass die Erhöhung der Mindestanf­orderungen den Glasfasera­usbau ausbremse, weil dann Gelder anders eingesetzt werden müssten als geplant.

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FOTO: DPA Ein Glasfaserk­abelstrang.

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