Schwarz-Grün braucht echte gemeinsame Ziele
Etappe bei den Koalitionsverhandlungen für NRW: Im Turbo-Tempo sind Gespräche zwischen CDU und Grünen auf die Zielgerade gegangen. In der Versöhnung vermeintlicher Gegensätze liege eine Chance für das Land, sagte der – derzeit geschäftsführend im Amt befindliche, voraussichtlich bald wieder gewählte – Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Grünen-Verhandlungschefin Mona Neubaur wählte ein vielsagendes Sprachbild: Die Schwelle, vor der man stehe, sieht sie als „Sprungbrett“. Dass sie ihre Differenzen als Gelegenheit sehen: Nichts anderes konnten die beiden sagen. Und nichts weniger dürfen sie überhaupt versprechen.
Denn die Herausforderungen, die sich in NRW für sie – und die Menschen im Land – in den nächsten Jahren auftun werden, sind jetzt noch nicht einmal seriös abzuschätzen. Klar ist lediglich, wie viel sozialen Zündstoff sie enthalten werden. Energiekrise, Entwicklung der Wirtschaft, Inflation, Corona im Herbst und eine zunehmende Entfernung vieler Menschen von der Landespolitik, die sich zuletzt in der geringen Wahlbeteiligung gezeigt hat: Das sind nur ein paar ausgewählte Probleme mit dem Potenzial, die Gesellschaft zu spalten. In solchen Zeiten kommt es darauf an, dass Akteure der Politik ihren Kurs und ihre Ziele glaubhaft vermitteln können – und zwar auch dann noch, wenn sie diesen Kurs ändern müssen, weil die Umstände sich auf eine Weise geändert haben, mit der niemand gerechnet hat. Ein Regierungsprogramm der Kompromisse – hier etwas für grüne, dort etwas für schwarze Interessen – reicht dafür nicht aus. Vom kleinsten gemeinsamen Nenner aus gibt es keine weite Perspektive. Schwarz und Grün brauchen stattdessen echte gemeinsame Ziele und einen Plan dafür, wie sie ihren Weg weitergehen wollen, wenn sich plötzlich ein Haufen neuer Hindernisse darauf auftürmen. Nur wenn das klappt, kann diese Koalition gelingen.