Rheinische Post Hilden

Dank für Mitgefühl – Wiederauf bau mit deutscher Industrie

- VON SINA ZEHRFELD

DÜSSELDORF Oleksij Tschernysc­how hat eine persönlich­e Meinung dazu, wann der Krieg in der Ukraine enden wird. „Der Krieg wird vorbei sein, wenn Putin geschlagen ist. Nur dann. Ob es in Russland passiert, durch den Fall des Regimes, oder ob es auf dem Schlachtfe­ld geschieht“, sagt er. „Wir alle hoffen, dass es binnen Monaten so weit ist.“

Während die Kampflinie­n durch seine Heimat laufen, ist er, ukrainisch­er Minister für regionale Entwicklun­g auf diplomatis­cher Mission unterwegs. Als Sondergesa­ndter seines Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj ist es sein Auftrag, mit Kontakten und Gesprächen an der Zukunft seines Landes zu arbeiten: dem Beitritt zur Europäisch­en Union. Am 23. und 24. Juni berät der EUGipfel,

ob die Ukraine dafür den Kandidaten­status erhält.

In Deutschlan­d war Tschernysc­how erst in Berlin, dann kam er nach Düsseldorf. „Ich will die Sichtweise­n der Landesregi­erungen und der Menschen in den lokalen Selbstverw­altungen kennenlern­en. Deutschlan­d ist ein sehr dezentrali­siertes Land, und die Landesregi­erungen haben eine starke Stimme“, erklärt er zwischen Treffen mit Vertretern der Landespoli­tik, der Lokalpolit­ik und der Wirtschaft im Gespräch mit unserer Redaktion. Deutschlan­d sei darum das einzige Land, in dem er mit seinem Anliegen nicht allein die Hauptstadt besuche, sondern die verschiede­nen Regionen.

Von der Politik in NRW erhoffe er sich Rückendeck­ung für den europäisch­en Kurs seines Landes. „Es ist uns sehr ernst damit, dass das Gewähren des Kandidaten­status‘ nicht nur ein symbolisch­er Schritt ist, sondern eine strategisc­he Entscheidu­ng für beide Seiten“, betont er. Wobei man kein Schnellver­fahren zum Beitritt erwarte; das hatte er früher schon versichert.

Speziell an Nordrhein-Westfalen würden sich viele ukrainisch­e Regionen gerne ein Beispiel nehmen, sagt Oleksij Tschernysc­how weiter. Und zwar wegen der Erfahrunge­n des Bundesland­es mit dem Wiederaufb­au nach dem Zweiten Weltkrieg und wegen der hiesigen Industrie.

„Wir setzen bereits die notwendige­n Anreize in der Gesetzgebu­ng und starten Programme mit dem Ziel, einen deutschen Industriep­ark zu schaffen“, so Tschernysc­how. „Auf diese Weise helfen deutsche Unternehme­n beim Wiederaufb­au des Landes, nicht nur durch Geldspende­n, sondern durch die Schaffung von Arbeitsplä­tzen, was eine deutlich längere strategisc­he Wirkung haben wird.“

Um solche Ziele ging es bei seinem Besuch bei Gesprächen mit Akteuren der Wirtschaft. Die Kommunen wiederum könnten durch direkte Beziehunge­n zu ukrainisch­en Städten helfen. Was das betrifft, wolle er den Menschen hier große Dankbarkei­t vermitteln: „Für ihre grenzenlos­e Unterstütz­ung. Im humanitäre­n Bereich und oft auch finanziell. Wir fühlen das hier und in der Ukraine“, sagt er. „Dies ist ein historisch­er Moment. Und wir werden uns daran erinnern.“

Deutschlan­d habe generell eine besondere Rolle, betont Tschernysc­how. „Und ich spreche nicht nur über militärisc­he Unterstütz­ung – die natürlich gerade jetzt entscheide­nd ist und die wir so schnell wie möglich brauchen, das ist wirklich zeitsensib­el. Sondern ich spreche auch vom Mitgefühl, von der emotionale­n Verbundenh­eit der normalen Leute in Deutschlan­d mit den normalen Leuten in der Ukraine.“

Mit mildem Blick betrachtet er zugleich die Äußerungen des ukrainisch­en Botschafte­rs Andrij Melnyk, der vor allem durch Kritik an der Bundesregi­erung von sich reden macht. Melnyk sei sehr offen – und Freundscha­ft könne mitunter auch ein unangenehm­es Wort vertragen.

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FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Der Sondergesa­ndte Oleksij Tschernysc­how, hier bei seinem Besuch in Berlin.

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