Rheinische Qualitäten
Die Deutsche Kammerakademie Neuss spielte unter Florian Merz-Betz beim Schumannfest in der Tonhalle.
DÜSSELDORF Schüchtern und leicht unbeholfen war der 24-jährige Robert Schumann, als die Pianistin Henriette Voigt ihn in einer Probenpause mit Mendelssohn bekannt machte. Die Begegnung im Oktober 1834 in Leipzig war der Beginn einer Komponistenfreundschaft. Das jüngste Konzert beim Schumannfest zeichnete jetzt Verbindungen zwischen Düsseldorfs einstigen Musikdirektoren nach.
Unter Florian Merz-Betz, der Generalmusikdirektor der Chursächsischen Philharmonie und ausgewiesener Experte für historische Aufführungspraxis ist, spielte die Deutsche Kammerakademie Neuss in der Tonhalle ein Programm, das dem althergebrachten Dreischritt aus Ouvertüre, Solokonzert und Sinfonie folgte. Zu Beginn erklingt Schumanns Ouvertüre aus Opus 52: ein Werk, das von der Freude über die erfolgreiche Uraufführung seiner 1. Sinfonie unter der Leitung Felix Mendelssohn Bartholdys kündet. Die Gäste aus Neuss lassen den brillanten Orchestersatz zunehmend festlich aufleuchten.
Für die erkrankte Marie-Elisabeth Hecker sprang Maximilian Hornung kurzfristig als Solist in Robert Schumanns Cellokonzert ein. Die weit ausgreifenden Kantilenen beginnen unter seinen Händen inwendig zu glühen. Hornungs Legatobögen erreichen dank tadelloser Intonation und wohldosiertem Vibrato eine Gefühlsintensität, die Schönheit bis an die Schmerzgrenze treibt.
Sein Instrument klingt in der Tiefe erdig-sonor, zuweilen beinahe knurrig. Die Mittellage ist trennscharf, jeder Lauf tritt prägnant hervor. Aber wenn Hornung den emotionalen Druck herausnimmt, wenn er in hoher Lage knifflig Virtuoses meistert, klingt das so delikat wie fein geklöppelte Spitze. Technisch wunderbar souverän ist der gebürtige Augsburger vor allem ein hingebungsvoller Musiker – und damit eine Idealbesetzung für dieses Werk.
Die Gäste aus Neuss, die dem Cellisten gute Dialogpartner sind, verabschieden sich mit Mendelssohns 4. Sinfonie, der „Italienischen“. Florian Merz-Betz, der Mediengruppe Rheinische Post als Herausgeber verbunden, setzt auf eine agogisch lebhafte Gestaltung und auf eine dynamische Abstufung, die bei Wiederholungen oft zu schönen Echo-Effekten führt. Das zeigt sich besonders im Andante, das herrlich entspannt fließt und an diesem Abend nachgerade ätherische Pianissimo-Qualitäten erreicht.
Den Jubelklang des Kopfsatzes zelebrieren die Musikerinnen und Musiker mit Eleganz und Überschwang. Das schlanke Klangbild eröffnet einen luziden Himmel, unter dem es verzeihlich scheint, dass die stets auf Risiko spielenden Naturhörner und -trompeten sich als anfällig für Kiekser erweisen. Im Presto-Finale, dessen schwirrende Tonwiederholungen den Klang eines Tamburins imitieren, zeigt das Orchester sich quirlig und temperamentvoll. Florian Merz-Betz setzt auf kammermusikalische Feinheit statt auf sinfonische Opulenz. Nadelfeine Akzente und quecksilbrig strömende Triolenketten geben dieser Lesart recht.