Ein toller Tag und eine unruhige Nacht
Für den Reisepodcast „Trip-Tipps für 9“ist unser Autor nach Hamburg gefahren. Natürlich per Neun-Euro-Ticket in Nahverkehrszügen.
HAMBURG „Hamburg meine Perle. Du wunderschöne Stadt!“So singt es Lotto King Karl in seinem Kult-Song. Hamburg ist auch meine Perle. Direkt nach dem Abitur hingezogen, habe ich dort drei Jahre lang gelebt. Hamburg ist eine Großstadt, aber Hamburg ist mehr als das. Hamburg war für mich immer ein besonderes Gefühl. Der Hamburger gilt als kühl und schwierig, und da passe ich als Rheinländer irgendwie nicht hinein. Wer in der Hansestadt in einer Kneipe alleine am Tresen steht, bleibt da oft auch alleine – da sagt man den Kölnern ja deutlich mehr Geselligkeit nach.
Ich bereise die Stadt an Elbe und Alster mit Nahverkehrszügen. Das ist in diesen Tagen ja mehr als angesagt, und ich muss zugeben, nichts überrascht mich auf der Reise. Ich habe die Tour mit Regionalexpress und Regionalbahn schon als Student gemacht. Ab Düsseldorf dauert es fünf Stunden und 20 Minuten. Der ICE ist knapp zwei Stunden schneller. Umsteigen in Osnabrück und in Bremen. Und dann steigt man auch schon in Hamburg aus. Weichenstörungen, volle Züge, Signalausfälle oder kaputte Loks – all das kann immer passieren. Bei meiner Tour habe ich Glück. Es ist voll, aber alle haben einen Sitzplatz.
Nach der langen Fahrt durch die Lüneburger Heide begrüßt mich Hamburg-Harburg. Das klingt schon wie das Ziel, aber die Hamburger selbst sind skeptisch, ob Harburg überhaupt zu Hamburg gehört. Bis zum Hauptbahnhof nimmt die Bahn auch keine große Geschwindigkeit mehr auf. Man tuckert langsam in die Stadt hinein. Über die Elbbrücken hinweg wird allmählich das Hamburger Panorama sichtbar. Der Tag ist sonnig, der Ausblick perfekt, meine Vorfreude steigt.
Die Stadt ist voll. Es ist noch keine richtige Saison, aber es sind unglaublich viele Touristen da. Ganze Schulklassen steigen aus dem Zug, die nun ihre Abschlussfahrt in der Hansestadt verbringen. Ein quirliger Haufen Teenager wuselt mit mir durch die Wandelhalle. In Hamburg ist es häufig voll, und es braucht eine Taktik, um diese Menschenmassen, die sich punktuell in der Stadt begegnen, zu überleben. Meine Taktik von früher funktioniert auch heute noch und bedeutet: mitschwimmen im Strom. Sich einfach in den Pulk begeben und bloß nicht über Richtungen und Gegenverkehr nachdenken. Dann hat man verloren und bleibt womöglich stehen, was einen Zusammenstoß nach sich ziehen würde. Dann bewegt sich der Pulk plötzlich um einen herum – und man ist raus. Unangenehm.
Ich „schwimme“zu meinem Hotel und habe es nicht weit. Direkt am Hauptbahnhof liegt die Unterkunft, die im Internet mit „gut“bewertet wurde. Für 140 Euro pro Nacht aber nicht günstig, zumal es kein Frühstück gibt. Aber direkt am Hauptbahnhof werde ich nicht verhungern. Die Rezeption ist ein großer Tresen, die Musik in der Lobby ist laut, wie in einer Diskothek. Ich bin mit Abstand der Älteste hier, und dieses Hotel erinnert mich an eine Jugendherberge. Junge Menschen in Jogginghosen und Latschen sitzen auf Paletten-Sofas und trinken hippe Limonaden oder Bier. Dieses Hotel ist ein Hostel. So steht es nicht im Internet, nicht an der Hauswand, aber auf der Rechnung. Im Hotelzimmer
offenbart sich das Konzept. Es ist einfach gehalten, immerhin sind die Betten bequem.
Die Sonne geht gleich unter, am Jungfernstieg versammeln sich Hamburger, die gerade Feierabend gemacht haben, und Touristen, für die der Tag jetzt erst richtig beginnt. Jeder sucht sich einen Platz an der Alster und genießt die letzten Sonnenstrahlen. Hier vergisst man kurz den Großstadttrubel. Nach einem Spaziergang und einem kleinen Abendessen gehe ich auf mein Zimmer und versuche zu schlafen. Die sieben anderen Zimmer auf meinem Flur sind alle belegt. Es ist eine Schulklasse, die einen Hamburg-Trip macht, und die Jugendlichen haben keine Lust, sich hinzusetzen. Immer geht jemand aus einem Zimmer, die Feuerschutztür fliegt mit einem überlauten Knall zurück ins Schloss. Die Vibration der dünnen Wände lässt die Bilder und den 43-Zoll-Fernseher an der Wand derart wackeln, dass ich das Klirren bereits höre. Das wiederholt sich nun alle zwei Minuten. Einer muss immer rein oder raus. Einschlafen kann ich erst nach zwei Stunden.
1.30 Uhr in der Nacht. Es müssen unzählige Türen auf und zu gegangen sein, weil nun zehn Personen
vor meinem Fenster auf dem Vordach stehen und sitzen. Technobeats dröhnen aus Handys, Getränkedosen und Flaschen werden geöffnet. Ich bin hellwach. Wir einigen uns darauf, dass wir alle in einer halben Stunde schlafen. Nach einer Stunde wird es tatsächlich ruhiger.
Um 6 Uhr endet meine Nacht, ich dusche in der Vollplastiknasszelle, die hier vor einigen Jahren eingebaut worden ist. Auf dem Flur ist es sehr still. Ich bin ehrlich. Es macht mir großen Spaß, meine Zimmertür aufzureißen und mit dem lauten Knall wieder ins Schloss fallen zu lassen.
Mit einem typischen Pendlerfrühstück starte ich in den Tag. Es gibt ein Franzbrötchen (unbedingt probieren, wenn man es nicht kennt) und einen Kaffee. Danach Route eins. Mönckebergstraße hoch bis zum Rathaus und dann durch die Altstadt, an der Nikolaikirche vorbei bis zum Michel. Ich liebe diesen Fußweg. Er zeigt, wie vielfältig Hamburg ist und das eben nicht nur Neubauten, sondern auch noch Schätze mit Vergangenheit gibt. Der Michel ist die Hauptkirche in Hamburg und gleichzeitig ein Lieblingsort vieler Hamburger. Von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung bis zu den Landungsbrücken, wo es wieder deutlich voller wird. Durch die Hafen-City ist dieser Bereich an der Elbe selbst schon so vielfältig und komplex, dass man einen Tag braucht, um alles zu sehen.
Für unseren Podcast „Trip-Tipps für 9“mache ich die große Hafenrundfahrt und schaue mir Hamburg im Maßstab 1:87 im Miniatur-Wunderland in der Speicherstadt an. Natürlich muss der Abstecher auf die Elphi-Plaza an der Elbphilharmonie noch sein, und dann neigt sich ein Tag in Hamburg auch schon dem Ende zu. Express-Programm mit wenig Schlaf. Den hole ich jetzt in der Bahn nach Hause nach. Zwei Gewissheiten begleiten mich: Erstens: Hamburg ich komme wieder! Zweitens: Ein ruhigeres Hotel muss es dann doch sein.