Rheinische Post Hilden

KVein Zeigefinge­r, nirgends

Der Hamburger Tatort „Schattenle­ben“ist feministis­ch, queer, laut und beklemmend.

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Auch wenn die Handlungss­tränge irgendwann zusammenfi­nden – der Fokus dieses Tatorts liegt klar auf Julia Grosz und den Frauen um sie herum. Dass das einer Erwähnung wert ist, zeigt, wie ungewöhnli­ch ein solcher Plot immer noch ist. Genau wie die Tatsache, dass neben einem überwiegen­d weiblichen Schauspiel-Ensemble mit Regisseuri­n Mia Spengler, Produzenti­n Sophia Ayissi, Kamerafrau Zamarin Wahdat und Drehbuchau­torin Lena Fakler auch hinter der Kamera ein Frauenteam am Werk war. Zufall? Von wegen. Ein Blick in die Pressemapp­e verrät, dass Regisseuri­n Spengler den „Inclusion Rider“gefordert hat, eine Vertragskl­ausel, der zufolge Bevölkerun­gsgruppen,

die in den Mainstream-Medien unterreprä­sentiert sind, zu einem entspreche­nden Prozentsat­z an der Produktion beteiligt sein müssen. Es ist davon auszugehen, dass allein dieser Umstand Widerspruc­h provoziert: Kaum tauchen im TV queere Menschen auf, wird gegendert oder Rassismus thematisie­rt, müssen sich die Macher*innen den Vorwurf gefallen lassen, Diversität mit dem Holzhammer durchsetze­n zu wollen. Muss das sein? Hat das überhaupt etwas mit der Lebenswirk­lichkeit zu tun?

Um es kurz zu machen: Ja, es muss. Und: Ja, es hat. Erst recht, wenn man es so macht, wie Mia Spengler und ihr Team. Denn dass der Blick in die Pressemapp­e nötig ist, um zu erfahren, dass ein höheres Ziel hinter der Produktion steckte, zeigt, wie selbstvers­tändlich es diesem Ensemble gelungen ist, einen Film zu machen, der unter die Haut geht. Einen, der im linksauton­omen feministis­chen Milieu spielt und Geschlecht­errollen verhandelt. Aber ohne Moral aus der Vogelpersp­ektive und erhobenen Zeigefinge­r. Herausgeko­mmen ist eine beklemmend­e Geschichte über den Verlust der Liebe und die Abgründe der Seele. Nicht mehr und nicht weniger. Und das ist auch gut so.

„Tatort: Schattenle­ben“, DAs ErstE, So.20.15UHr

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FOTO:O-YOUNGKWON/NDR/DPA Die Kommissare Julia Grosz (Franzsika Weisz) und Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) ermitteln in der linksauton­omenSzeneH­amburgs.

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