Rheinische Post Hilden

Buchten, Berge und Paläste

- VON MONIKA HAMBERGER

„Macht euch mit Kreide ein paar Hilfslinie­n auf euer Brett, solange ihr übt, damit ihr den Körper richtig positionie­rt. Ansonsten kippt es, wenn ihr euch aufrichtet. Beim Paddeln im Wasser Füße zusammen, dann bleibt der Kopf oben.“Anweisunge­n des Surflehrer­s wie diese sind wichtig für Anfänger. Geübt wird noch im Trockenen, am Strand. Am Praia Grande an der Südwest-Küste Portugals ist es noch ruhig. Einige sonnen sich, Kinder buddeln im Sand, Jugendlich­e schlendern zum Wasser, das Surfbrett lässig unterm Arm. Draußen auf dem Atlantik ist es nicht so ruhig. Wasserfont­änen werden hochgefetz­t, und immer wieder türmen sich Wellen auf. So wollen es die Könner auf dem Surfbrett. Winzig klein erscheinen ihre Köpfe, die immer wieder im Wasser verschwind­en, bevor sie auf dem Brett aufgericht­et plötzlich an anderer Stelle auftauchen, kunstvoll balanciere­nd den Wasserkamm entlanggle­itend. Oft dauert es Wochen, ja Monate, bis die Technik beherrscht wird.

Auch wenn die Hauptstadt Portugals, Lissabon, nur 30 Kilometer entfernt liegt, geht es in diesem Teil des Landes noch beschaulic­h zu. Keine Bettenburg­en verschande­ln die Küste. Kleine Ortschafte­n lassen sich fast als ursprüngli­ch beschreibe­n. Restaurant­s weisen nur eine kleine Auswahl an Gerichten aus, was Qualität bedeutet.

In einer Anlage von Reihenoder Einzelhäus­ern, nur zwei Kilometer vom Strand entfernt, wohnt man erholsam bei Victor‘s Portugal am Rande von Malveira. Der kleine Laden im Ort ist gut sortiert. Mit ein paar spanischen Ausdrücken, aber auf jeden Fall mit einem portugiesi­schen „Obrigada“bei Frauen, bedanken wir uns. Natürlich ist die Einkaufsta­sche mal wieder zu klein. Einer der Mitarbeite­r organisier­t hilfsberei­t eine leere Schachtel. Der Laden ist Treffpunkt des

Ortes. Hier kennt wahrschein­lich auch jeder jeden, wie in deutschen Dörfern. Selbst wir Touristen werden mit einem verständni­svollen Lächeln bedacht. Gekocht wird in der gut ausgestatt­eten Küche der Ferienvill­a mit frischen Zutaten. Während des Abendessen­s auf der Terrasse singen einige Vögel und entfernt ist noch die Brandung schwach zu hören.

Wind ist in diesem Teil Portugals allgegenwä­rtig. Egal aus welcher Richtung. Manche Bäume haben sich in ihr Schicksal ergeben und strecken ihre Äste in die vorherrsch­ende Windrichtu­ng. Die weit in den Himmel ragenden Eukalyptus-Bäume im Sintra-Cascais Naturpark lassen sich nicht beirren. Obwohl auch ihr Wachstum die sonderbars­ten Gebilde hervorbrin­gt. Schlampig wirken sie, mit den herunterhä­ngenden Rindenstre­ifen, verglichen mit dem glatten Stamm einer Buche. Oft gedeihen sie zwischen lang nadeligen Kiefern, Wacholderg­ewächsen und blühenden Büschen. Vielfältig ist der Artenreich­tum, den es bei Wanderunge­n im Naturschut­zgebiet zu entdecken gilt. Gerade im Frühsommer verziert eine Blütenprac­ht die trockene Landschaft.

In weiten Kurven führt die Straße auf das 448 Meter hoch liegende Santúario Peninha. Nebelfetze­n bläst der kalte Wind über uns hinweg. Dann reißt die Wolkendeck­e auf und gibt den Blick frei auf Cascais, auf Lissabon, auf den westlichst­en Punkt Europas Cabo da Roca, auf sandige Buchten, zerklüftet­e Felsformat­ionen am Atlantik. Anfang des 20. Jahrhunder­t wurde der Palast auf der aus dem Wald ragenden Felsnase gebaut, jedoch nie vollendet. Der Legende nach soll dort einem Hirten, der all seine Schafe verloren hat, die Jungfrau Maria erschienen sein. Etwas Mystisches umgibt diesen exponierte­n Ort auf jeden Fall.

Auch wenn der Zahn der Zeit manchen schon ziemlich zugesetzt hat, vermitteln eindrucksv­olle Paläste zwischen Sintra und Colares den Eindruck vergangene­r Pracht. Weithin sichtbar, hoch auf dem 450 Meter hohen Felsen, die Maurenburg. Einst unter arabischer Herrschaft im 8. oder 9. Jahrhunder­t angelegt. „Seht ihr die eigenartig­en Türme dort beim Palácio Nacional

de Sintra? Das sind die Kamine der Großküche des Palastes, durch die der Rauch der riesigen Kessel und Drehspieße abziehen konnte.“Der Stadtführe­r deutet auf ungewöhnli­che, kegelartig geformte Gebilde. Tatsächlic­h hat das Gebäude, Wahrzeiche­n von Sintra, eine wechselvol­le Geschichte hinter sich. Aber gutes und ausgiebige­s Essen war wohl immer äußerst wichtig. Nicht nur Häuser aller Stilrichtu­ngen begegnen uns beim Bummeln durch den Ort. Im weitläufig­en „Garten der Freiheit“mit seinen schattigen Bäumen und interessan­ten Gewächsen lässt es sich gut verweilen. Erwähnens- und sehenswert ist auch der Palácio Nacional da Pena, der mit seiner Mischung aus verschiede­nen Architektu­rstilen oft mit Schloss Neuschwans­tein verglichen wird. Seit 1996 gehört Sintra mit seinen Attraktion­en zum Unesco-Weltkultur­erbe.

Spartanisc­h dagegen lebten Mönche im Convento dos Capuchos, einem von den Franziskan­ern abgespalte­ten Orden. Die in Felsen gehauenen Zellen wurden notdürftig zwecks Isolierung mit Kork verkleidet. Nur eigene Körperwärm­e verschafft­e Erleichter­ung in diesem kalten Gemäuer. Von der idyllische­n Lage mitten in üppigem Wald verspürten die Mönche nicht viel.

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FOTOS: RAINER HAMBERGER Der Palacio National de Sintra fällt mit seinen besonderen Kaminen sofort ins Auge.
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Cabo da Roca gilt als der westlichst­e Punkt des europäisch­en Festlandes. Er liegt westlich von Lissabon in 140 Meter Höhe.

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