Buchten, Berge und Paläste
„Macht euch mit Kreide ein paar Hilfslinien auf euer Brett, solange ihr übt, damit ihr den Körper richtig positioniert. Ansonsten kippt es, wenn ihr euch aufrichtet. Beim Paddeln im Wasser Füße zusammen, dann bleibt der Kopf oben.“Anweisungen des Surflehrers wie diese sind wichtig für Anfänger. Geübt wird noch im Trockenen, am Strand. Am Praia Grande an der Südwest-Küste Portugals ist es noch ruhig. Einige sonnen sich, Kinder buddeln im Sand, Jugendliche schlendern zum Wasser, das Surfbrett lässig unterm Arm. Draußen auf dem Atlantik ist es nicht so ruhig. Wasserfontänen werden hochgefetzt, und immer wieder türmen sich Wellen auf. So wollen es die Könner auf dem Surfbrett. Winzig klein erscheinen ihre Köpfe, die immer wieder im Wasser verschwinden, bevor sie auf dem Brett aufgerichtet plötzlich an anderer Stelle auftauchen, kunstvoll balancierend den Wasserkamm entlanggleitend. Oft dauert es Wochen, ja Monate, bis die Technik beherrscht wird.
Auch wenn die Hauptstadt Portugals, Lissabon, nur 30 Kilometer entfernt liegt, geht es in diesem Teil des Landes noch beschaulich zu. Keine Bettenburgen verschandeln die Küste. Kleine Ortschaften lassen sich fast als ursprünglich beschreiben. Restaurants weisen nur eine kleine Auswahl an Gerichten aus, was Qualität bedeutet.
In einer Anlage von Reihenoder Einzelhäusern, nur zwei Kilometer vom Strand entfernt, wohnt man erholsam bei Victor‘s Portugal am Rande von Malveira. Der kleine Laden im Ort ist gut sortiert. Mit ein paar spanischen Ausdrücken, aber auf jeden Fall mit einem portugiesischen „Obrigada“bei Frauen, bedanken wir uns. Natürlich ist die Einkaufstasche mal wieder zu klein. Einer der Mitarbeiter organisiert hilfsbereit eine leere Schachtel. Der Laden ist Treffpunkt des
Ortes. Hier kennt wahrscheinlich auch jeder jeden, wie in deutschen Dörfern. Selbst wir Touristen werden mit einem verständnisvollen Lächeln bedacht. Gekocht wird in der gut ausgestatteten Küche der Ferienvilla mit frischen Zutaten. Während des Abendessens auf der Terrasse singen einige Vögel und entfernt ist noch die Brandung schwach zu hören.
Wind ist in diesem Teil Portugals allgegenwärtig. Egal aus welcher Richtung. Manche Bäume haben sich in ihr Schicksal ergeben und strecken ihre Äste in die vorherrschende Windrichtung. Die weit in den Himmel ragenden Eukalyptus-Bäume im Sintra-Cascais Naturpark lassen sich nicht beirren. Obwohl auch ihr Wachstum die sonderbarsten Gebilde hervorbringt. Schlampig wirken sie, mit den herunterhängenden Rindenstreifen, verglichen mit dem glatten Stamm einer Buche. Oft gedeihen sie zwischen lang nadeligen Kiefern, Wacholdergewächsen und blühenden Büschen. Vielfältig ist der Artenreichtum, den es bei Wanderungen im Naturschutzgebiet zu entdecken gilt. Gerade im Frühsommer verziert eine Blütenpracht die trockene Landschaft.
In weiten Kurven führt die Straße auf das 448 Meter hoch liegende Santúario Peninha. Nebelfetzen bläst der kalte Wind über uns hinweg. Dann reißt die Wolkendecke auf und gibt den Blick frei auf Cascais, auf Lissabon, auf den westlichsten Punkt Europas Cabo da Roca, auf sandige Buchten, zerklüftete Felsformationen am Atlantik. Anfang des 20. Jahrhundert wurde der Palast auf der aus dem Wald ragenden Felsnase gebaut, jedoch nie vollendet. Der Legende nach soll dort einem Hirten, der all seine Schafe verloren hat, die Jungfrau Maria erschienen sein. Etwas Mystisches umgibt diesen exponierten Ort auf jeden Fall.
Auch wenn der Zahn der Zeit manchen schon ziemlich zugesetzt hat, vermitteln eindrucksvolle Paläste zwischen Sintra und Colares den Eindruck vergangener Pracht. Weithin sichtbar, hoch auf dem 450 Meter hohen Felsen, die Maurenburg. Einst unter arabischer Herrschaft im 8. oder 9. Jahrhundert angelegt. „Seht ihr die eigenartigen Türme dort beim Palácio Nacional
de Sintra? Das sind die Kamine der Großküche des Palastes, durch die der Rauch der riesigen Kessel und Drehspieße abziehen konnte.“Der Stadtführer deutet auf ungewöhnliche, kegelartig geformte Gebilde. Tatsächlich hat das Gebäude, Wahrzeichen von Sintra, eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Aber gutes und ausgiebiges Essen war wohl immer äußerst wichtig. Nicht nur Häuser aller Stilrichtungen begegnen uns beim Bummeln durch den Ort. Im weitläufigen „Garten der Freiheit“mit seinen schattigen Bäumen und interessanten Gewächsen lässt es sich gut verweilen. Erwähnens- und sehenswert ist auch der Palácio Nacional da Pena, der mit seiner Mischung aus verschiedenen Architekturstilen oft mit Schloss Neuschwanstein verglichen wird. Seit 1996 gehört Sintra mit seinen Attraktionen zum Unesco-Weltkulturerbe.
Spartanisch dagegen lebten Mönche im Convento dos Capuchos, einem von den Franziskanern abgespalteten Orden. Die in Felsen gehauenen Zellen wurden notdürftig zwecks Isolierung mit Kork verkleidet. Nur eigene Körperwärme verschaffte Erleichterung in diesem kalten Gemäuer. Von der idyllischen Lage mitten in üppigem Wald verspürten die Mönche nicht viel.