Millionenerbschaft beschäftigt die Justiz
Am Vermögen einer demenzkranken Seniorin sollen sich gleich mehrere Personen, darunter ihr Anwalt, bereichert haben.
OBERKASSEL (wuk) Auch viele Jahre nach dem Tod von drei Hauptbeteiligten beschäftigt die Millionenerbschaft einer alten Dame weiter die Justiz. Im Frühjahr war ein 47-jähriger Rechtsanwalt mit City-Adresse vom Amtsgericht zwar vom Vorwurf eines Parteiverrats zu Lasten der Seniorin freigesprochen worden – mit ausdrücklichem Bedauern des damaligen Richters. Doch der denkwürdige Kriminalfall um die Demenzkranke, deren angeblichen „Lebensgefährten“und ihre Millionenimmobilie am Oberkasseler Rheinufer ist damit längst nicht erledigt. Wie aus Justizkreisen bekannt wurde, hat die Staatsanwaltschaft
gegen den Freispruch für den Advokaten jetzt Berufung eingelegt. Damit kommt der ganze Fall demnächst zur Neubewertung vors Landgericht.
Ende 2016 ist die reiche Seniorin im Alter von 93 Jahren gestorben. Doch bis dahin hatte die alte Dame, die unter zunehmender Demenz litt, einen Zufallsbekannten aus der Straßenbahn als Generalbevollmächtigten für ihr Vermögen und künftigen Alleinerben auserwählt. Sie bezeichnete den acht Jahre jüngeren Mann gar als ihren „Lebensgefährten“, obwohl der längst verheiratet war und seine Ehefrau unter falschen Namen angeblich sogar ins Haus der Seniorin eingeführt habe.
Im Vorgriff auf das Millionenerbe der Demenzkranken soll er noch zu ihren Lebzeiten heimlich 370.000 Euro von deren Konto geholt und in den Libanon verschoben haben. Der 47-jährige Rechtsanwalt der alten Dame soll dagegen nichts unternommen haben. Im Gegenteil: Als der Geldschwund vom Konto der Mandantin auffiel und ein anderer Anwalt die Rückgabe dieser Summe verlangte, soll der City-Anwalt zugleich für die geschädigte Rentnerin und auch für deren „Lebensgefährten“aufgetreten sein. Das wertete die Staatsanwaltschaft als Parteiverrat
in einem besonders schweren Fall, was als Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bedroht ist.
Vor Gericht gestellt, wies der Advokat das alles Anfang des Jahres aber zurück. Er habe keinen Interessenkonflikt zwischen der alten Dame und deren „Lebensgefährten“gesehen, sich also keiner illegalen Doppelvertretung schuldig gemacht. Der „Lebensgefährte“und dessen Ehefrau können nicht mehr befragt werden, auch sie sind längst gestorben.
Ob sich der City-Anwalt vorher aber zusätzlich – trotz eines gerichtlich verhängten Verwertungsverbots
– vom „Lebensgefährten“das Millionengrundstück der alten Dame samt Wohnhaus (damaliger Verkehrswert: angeblich sieben Millionen Euro) für zwei Millionen Euro übertragen ließ und es direkt für 4,5 Millionen Euro verkauft hat, war bisher nicht Gegenstand einer Anklage gegen den City-Advokaten. Und ein Schuldspruch wegen Parteiverrats zu Lasten der Seniorin war laut Urteil des Amtsgerichts wegen einer „Strafbarkeitslücke“nicht möglich. Aber das will die Staatsanwaltschaft nicht hinnehmen, sondern jetzt per Berufung neu prüfen lassen. Einen Termin dafür gibt es beim Landgericht noch nicht.