„Frauenliteratur gibt es nicht“
Elke Heidenreich stellt ein sehr persönliches Buch im Kap 1 in Düsseldorf vor.
DÜSSELDORF Auch in ihrem 80. Lebensjahr ist Elke Heidenreich ein Publikumsmagnet. Ihre Buchvorstellung im Kap 1 während der Literaturtage war schnell ausverkauft. In „Hier geht’s lang!“erzählt die Autorin und Literaturkritikerin, wie sie zur nimmermüden Leserin wurde: „Ich hatte Lust aufzuschreiben, was Bücher von Frauen mit mir und meinem Leben gemacht haben.“Das tat sie auf knapp 200 Seiten, ausgeschmückt mit autobiografischer Fiktion und zahlreichen privaten Fotos.
Gleich zu Beginn aber ist sie sich einig mit ihrer Kollegin A. L. Kennedy: „Frauenliteratur gibt es nicht. Genauso wenig wie Linkshänderliteratur oder Rothaarigenliteratur.“Bei der Lesung tauchten freilich all die Namen auf, die dem Publikum bestens bekannt waren. Enid Blyton zum Beispiel. Mit ihren Buchreihen „Hanni und Nanni“oder „Fünf Freunde“und weiteren 700 Werken erreichte sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weltweiten Erfolg. Heidenreich verschlang sie alle, ausgeliehen von der Mädchenabteilung der örtlichen Bücherei. Und hält es noch heute mit der englischen Autorin: „Kritik von Leuten über zwölf interessiert mich nicht.“
Als Geschenk von Verwandten gab es dummerweise nur KinderSchmonzetten. Gleich vier Mal bekam sie „Elke der Schlingel“von Emma Gündel, deren „Elke-Serie“mit anderthalb Millionen verkauften Exemplaren auch nicht gerade ein Ladenhüter war. Der erste wichtige Mann ihres LeserinnenLebens war Haferflocken-Fabrikant Peter Kölln: „Ich wusste weder, dass es ihn gab, noch wer das war, aber zum Frühstück aß ich täglich blütenzarte Köllnflocken und freute mich über die Roswitha-Sammelbildchen. Man konnte die Bilder in Alben kleben, aber für Alben gab es bei uns kein Geld.“Als Ergebnis der ersten Lesephase heißt es: „Mädchen
konnten ruhig auch Karl May lesen, aber nie hätte man einen Jungen mit einem ausgewiesenen Mädchenbuch erwischt.“
Ein entscheidender Abschnitt ihres Erwachsen-Seins begann für Heidenreich mit der Entdeckung von „Rowohlts Rotations-Romanen“, kurz Ro-Ro-Ro genannt. Wer hat nicht einige davon zu Hause, die Taschenbücher sind in unzähligen Bücherregalen zu finden. Als erster deutscher Verleger bekam Heinrich Maria Ledig-Rowohlt nach dem Krieg eine Verlagslizenz, am 17. Juni 1950 erschienen die ersten vier Titel auf dem Markt. Kaufpreis 1,50 Mark. Heidenreich kaufte sie alle: „Kleiner Mann – was nun?“von Hans Fallada, „Am Abgrund des Lebens“von Graham Greene, „Das Dschungelbuch“von Rudyard Kipling und „Schloß Gripsholm“von Kurt Tucholsky.
Ein großes „Ach ja“ging durch den Saal im Kap 1, als die berühmte Werbeseite im Taschenbuch erwähnt wurde. Um den Kaufpreis niedrig zu halten, empfahl Rowohlt dem Leser damals eine Zigarette, Benzin, Parfüm oder Pfandbriefe. Alles mit Bezug zum Text. Elke Heidenreich ließ sich von der Zigarette locken und blieb – trotz angegriffener Lunge – über Jahrzehnte eine rauchende Leserin.