Stadt will stärker auf Senioren zugehen
Die Zahl der Älteren steigt. Neue Daten zur Lebenssituation der Generation 55plus zeigen, dass die Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe vom Einkommen und Wohnquartier abhängen. Welche Konzepte für einen Ausgleich sorgen sollen.
DÜSSELDORF Die Stadt will stärker auf Menschen ab 55 Jahren zugehen, um die Folgen von Altersarmut und -einsamkeit zu mindern. Zu dem Konzept gehören Beratungen in den eigenen vier Wänden, Geburtstagsbesuche bei über 80-Jährigen und eine mobile Präsenz der auf die Seniorenarbeit spezialisierten Zentren plus. Deren Mitarbeiter sollen künftig bei Kooperationspartnern und auf öffentlichen Veranstaltungen den direkten Kontakt zu ihrer Zielgruppe suchen. Zu den Plänen gehört auch die Neuorganisation des Sozialamts. „Wir werden künftig eine aufsuchende ErstBeratung aus einer Hand anbieten und rekrutieren dafür bereits Personal“, sagt Anke Müller, Vize-Leiterin des Sozialamtes.
Damit zieht die Stadt Konsequenzen aus dem aktuellen Sozialbericht zur Lage der Generation 55plus. 170 Seiten stark ist die Dokumentation. Sie bildet neben der Entwicklung der allgemeinen Lebenssituation zwischen 2014 und 2019 auch die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zu den Themen Armut und Einsamkeit ab. 6000 Düsseldorferinnen und Düsseldorfer hatten kurz vor Beginn der Pandemie daran teilgenommen.
Die Daten des jetzt präsentierten Berichts zeigen, dass zwar der Anteil der Älteren an der Düsseldorfer Gesamtbevölkerung mit rund 31 Prozent an allen Einwohnern in etwa gleich bleibt. Dennoch steigt aufgrund einer weiter wachsenden Stadt die Zahl der Senioren. 2014 lebten 191.655 Menschen ab 55 Jahren in Düsseldorf, im Herbst 2019 waren es bereits 202.426 (bei 646.000 Bürgern). Und für 2035 rechnen die Statistiker in ihrer Prognose bei einer Gesamtbevölkerung von rund 705.000 mit 221.800 Menschen in dieser Bevölkerungsgruppe. „Auf einen solchen Zuwachs muss Düsseldorf reagieren, unter anderem mit der Schaffung zusätzlicher stationärer Pflegebetten“, sagt Ulrike Schneider, Vorsitzende des Seniorenrats. Schon jetzt fehlten Kapazitäten im vierstelligen Bereich. „Die Stadt sollte ernsthaft darüber nachdenken, Heime in eigener Regie zu betreiben“, meint sie.
Der Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung variiert je nach Stadtteil deutlich. Prozentual gesehen liegen Hellerhof mit 43,8 Prozent, Hubbelrath mit 42,7 Prozent und Urdenbach mit 41,3 Prozent an der Spitze. Am Ende der Skala befinden sich Oberbilk (25 Prozent), Stadtmitte (23,7 Prozent) sowie Friedrichstadt (22 Prozent).
Gestiegen ist in der untersuchten Altersgruppe die Zahl der Einpersonenhaushalte. Inzwischen leben 76.048 Bürger ab 55 Jahren allein, was einem Anteil an sämtlichen Single-Haushalten von knapp 40 Prozent entspricht. Anhand der Zahl der Alleinlebenden und der Sozialleistungsempfänger haben die Statistiker versucht, das Risiko von Altersarmut und Alterseinsamkeit für einzelne Quartiere abzuschätzen. Ein höheres Risiko für eine Vereinsamung verorten sie „insbesondere in Sozialräumen rund um die Innenstadt, unter anderem in den Stadtteilen
Altstadt, Carlstadt, Unterbilk, Friedrichstadt, Stadtmitte und Pempelfort“.
Tatsächlich dokumentiert der Bericht den Zusammenhang zwischen finanzieller Sicherheit und Zufriedenheit in ganz verschiedenen Lebensbereichen. Immerhin 45 Prozent der über 55-Jährigen geben an, ohne finanzielle Schwierigkeiten zu leben, 36 Prozent sprechen von nur leichten Problemen beim Thema Geld. Fast 90 Prozent derjenigen, die zur ersten, eher sorgenfreien Gruppe gehören, empfinden ihr Leben als „kontaktreich“. Von denen, die unter starken finanziellen Problemen leiden, bezeichnet sich dagegen fast die Hälfte (46 Prozent) als „kontaktarm“.
Helfen soll den Betroffenen unter anderem das auch jenseits der Stadtgrenzen wahrgenommene Konzept der Zentren plus. Mehr als 30 dieser Treffpunkte für Ältere gibt es in Düsseldorf, doch nur 20 Prozent der repräsentativ Befragten kannten diese Einrichtungen. Und nur zehn Prozent hatten ein solches Zentrum schon einmal besucht. Durch die Corona-Pandemie dürfte dieser Anteil noch einmal geschrumpft sein. „Der Einbruch in dieser Zeit war enorm, wir arbeiten gerade daran, Menschen wieder zurückzuholen“, sagt Renate Rönnau, die ehrenamtlich im Benrather Zentrum Plus arbeitet. Zu ihren wichtigsten Instrumenten gehören regelmäßige Telefonketten. „Wir müssen auf die Menschen zugehen und können nicht einfach auf sie warten“, sagt Rönnau. Damit setzt sie im Kleinen bereits um, was die Stadt nun als Teil einer neuen Seniorenarbeit flächendeckend etablieren will.
Ulrike Schneider schätzt die Arbeit der Begegnungsstätten. Allerdings litten sie unter einem ImageProblem. „Vor allem aktive Senioren denken, dass sie dort noch nicht hingehören“, sagt sie. Beim Thema Altersarmut ist Schneider noch ein anderer Aspekt wichtig. „Aufsuchende Arbeit ist gut und sollte intensiviert werden. Aber genauso dringend brauchen wir – vor allem für Rentner – einen deutlich höheren Energie- und Heizkostenzuschuss. Denn sonst fehlt einigen am Ende schlicht das Geld, um einen Nachmittag in einem Zentrum plus verbringen zu können.“