Barockmusik auf der Mundorgel
Clou des Konzerts des Ensemble Holland Baroque war ein exotisches Blasinstrument.
DÜSSELDORF Die chinesische Mundorgel Sheng stand im Mittelpunkt eines Konzerts rund um das Barockzeitalter. Im Rahmen der moderierten Musikreihe „Ehring geht ins Konzert“beeindruckte das niederländische Ensemble Holland Baroque im Mendelssohn-Saal der Tonhalle mit exotischen Arrangements von Instrumentalwerken Johann Sebastian Bachs, Georg Philipp Telemanns und anderer Meister aus der Zeit um 1700.
Was das Regietheater für die Bühne, sei Holland Baroque fürs Konzertpodium, witzelte Moderator und Kabarettist Christian Ehring über die sehr freie Interpretationskunst des Kammerorchesters. Dem musikgeschichtlich gut informierten Entertainer gelang mal wieder der Spagat zwischen tagespolitischem Kabarett und Werkeinführung. Das Konzert zwischen chinesischer Klangkunst und europäischer Kompositionsart sei ein „Clash der Kulturen – wie die Punks auf Sylt wegen des Neun-Euro-Tickets“.
Ensembleleiterinnen sind die Zwillingsschwestern Judith (Violine) und Tineke (Cembalo) Steenbrink. Einer Aufführungspraxis, so originalgetreu wie möglich den ursprünglichen Klang von Barockmusik zu rekonstruieren, stehen sie kritisch gegenüber. „Wir können gar nicht genau wissen, wie früher gespielt wurde“, sagte Tineke Steenbrink
im Interview mit dem Moderator. Damals sei beim Konzertieren viel improvisiert worden. Und genau das wolle man nun tun.
Streckenweise spielten die Holländer notengetreu – und das tadellos. Doch immer wieder kamen Klangeffekte hinzu, oder der Schlussakkord bei einem Telemann-Stück wurde mit der aus dem Jazz bekannten Blue Note eingefärbt. Clou des Abends war aber die Mundorgel, die aussah wie ein Miniaturmodell des Empire State Buildings, das im rechten Winkel zum Mundstück nach oben ragte. Judith Steenbrink hat dem fabelhaften Sheng-Spieler Wu Wei eigene Stücke komponiert, die an Minimal Music erinnern. Wu Wei spielte aber auch Bach-Arrangements.
Es sah so einfach aus, wie der Sheng-Spieler sein Blasinstrument, das klingt wie eine große Mundharmonika, betätigte. Die Virtuosität ist weitaus weniger sichtbar als bei einem Geiger oder Pianisten. Es muss aber extrem anspruchsvoll sein, auf einem vor 3000 Jahren entwickelten Instrument Komplexes von Bach zum Klingen zu bringen. Besonders eindrucksvoll gelang dies dem Mundorganisten in der von Bach bearbeiteten „Follia“(„Wahnsinn“). Das Ensemble Holland Baroque hat das Arrangement noch einmal modernisiert und nachgeschärft. Ein paar lang angelegte Temposteigerungen machten einen Effekt wie der griechische Sirtaki. Was der Solist hierbei leistete, grenzte an Magie.