Hildener Schachfreunde sind 100 Jahre alt
1922 gründete sich der Verein, der seine Heimstätte inzwischen im Curanum hat und vom aktuellen Schach-Boom profitiert.
HILDEN Ruhe und höchste Konzentration heißt es im Spiellokal des Hildener Schachvereins im Seniorenheim Curanum. Bis auf das leise Klackern der verschobenen Figuren und der betätigten Stoppuhren ist nichts zu hören. Alle teilnehmenden „Schachfreunde“, wie sich die Vereinsmitglieder traditionell nennen, sind auf das Brett und den teilweise nervenaufreibenden nächsten Zug fokussiert. Doch die Stimmung ändert sich schnell, als alle die Runde beendet haben. Nun unterhalten sich die Teilnehmer ausgelassen oder schnappen auf der Terrasse frische Luft. Bis die Paarungen der nächsten Runde ausgelost sind, heißt es: durchatmen.
Heute sind die Schachfreunde allerdings weniger wegen ihrer Spiele aufgeregt, sondern vielmehr aufgrund des Geburtstages des Schachvereins. Denn der feiert sein 100-Jähriges. 1922 gründeten ungefähr zehn ambitionierte Hildener Schachspieler den „Schachverein 1922 Hilden“. Gespielt wurde in einem Gasthaus an der Schwanenstraße, das heute nicht mehr existiert. Neben dem ein oder anderen Bier und zahlreichen Zigaretten wurden dort die Startsignale für den Verein des königlichen Spiels gesetzt.
Immer mehr Spieler traten bei, zu Spitzenzeiten waren rund 200 Schachfans Teil der Gemeinschaft. „Das war in den 70er Jahren, wo das Schachspiel seine Hochzeit hatte“, erklärt Wolfgang Gillmann, Vorsitzender des Vereins. Heute zählt der Bund nur noch rund 70 Mitglieder, die sich auf fünf Mannschaften verteilen. Von der Regionalliga bis hin zur 2. Bezirksklasse ist alles dabei. Nur an jungen Spielern fehlt es der Gruppe. „Viele Jugendliche interessieren sich heutzutage einfach für andere Dinge als Schach“, sagt Gillmann. Und selbst wenn sich ein paar junge Leute finden, die Interesse haben beizutreten, ist die Zeitknappheit oft problematisch. Schach muss neben anderen Hobbys oft hinten anstehen. „Wenn Kinder die Wahl haben zwischen Fußballtraining und Schachspielen, dann fällt die Entscheidung selten auf das Schach“, erklärt Gillmann.
Aber es gibt Lichtblicke. Denn seit der Coronapandemie und der erfolgreichen Netflix-Serie „Das Damen Gambit“, die von einer Schachspielerin handelt, gibt es einen regelrechten Schach-Boom. Allerdings agieren viele Spieler erst mal auf den vielen Schachplattformen im Internet. „Das Internetschach ist im Moment sehr populär. Da ist es schwierig, die Leute ans Brett zu bekommen“, berichtet Sascha Klimczak, Spielleiter und Schachspieler im Hildener Verein. Aber Wolfgang Gillmann hat für dieses Problem eine Lösung parat: Seit einigen Jahren leitet er Schach-AG‘s an den Hildener Gymnasien. „Wenn die Kinder nicht zu uns kommen, müssen wir eben zu ihnen gehen.“Und das klappt ziemlich gut. Beim Jubiläumsturnier
sind zwar nur zwei Abiturienten dabei, Gillmann berichtet aber, dass es momentan sechs Kinder unter zehn Jahren im Verein gibt.
Ein anderes Problem der vergangenen Jahrzehnte, welches oft nicht ganz so einfach zu lösen war, ist der Mangel an Spiellokalen. Nachdem das Gründungslokal, die Kneipe eines Vereinsmitglieds, geschlossen wurde, begann eine Reise quer
durch Hilden mit immer verschiedenen Standpunkten. Oftmals wurde in Kneipen gespielt, doch da die Schachspieler bei ihren teils vier bis fünf Stunden langen Partien nur wenige Getränke bestellten, wurden sie bald rausgeworfen.
Da ist der aktuelle Standpunkt im Seniorenheim schon vorteilhafter. Wolfgang Gillmann ist zuversichtlich, hier noch viele Jahre mit den anderen Schachfreunden spielen zu können. Er macht sich keine Sorgen um die Zukunft des Vereins. Und auch Sascha Klimczak kann jedem leidenschaftlichen Spieler nur empfehlen, dem Verein beizutreten. „Die Impulse und das Wissen von besseren Spielern sind einfach Gold wert“betont er. Sogar beim Verlieren lerne man immer dazu. Wer so eine sportliche Einstellung hat und dazu noch die Schlüsselwerte des Schachs, nämlich Mustererkennung, Vorstellungskraft und Konzentration mitbringt, ist bei den Hildener Schachfreunden jederzeit herzlich willkommen.