Umbruch unter erschwerten Bedingungen
Die angeschlagene Af D will auf ihrem Parteitag am Wochenende auch neue Bundessprecher wählen. Wer hat welche Chancen?
BERLIN Die guten Zeiten sind für die AfD längst vorbei. Bei den letzten zehn Wahlen in den Ländern und im Bund fuhr die Partei Verluste ein. Im Saarland und in NRW schaffte sie es nur knapp in den Landtag, in Schleswig-Holstein flog sie sogar aus dem Parlament. Und wie eigentlich immer schon sind die führenden Parteifunktionäre zerstritten. In der Bundestagsfraktion herrschten Feindseligkeiten und Misstrauen, heißt es etwa. Hinzu kommt dann auch noch die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Das ist also die Ausgangslage, wenn die AfD am kommenden Wochenende drei Tage lang im sächsischen Riesa bei Dresden zu ihrem Bundesparteitag zusammenkommt. Wieder einmal geht es um Aufarbeitung, Ausrichtung und Aufbruch.
Unter anderem werden die neuen Parteichefs gewählt, bei der AfD Bundessprecher genannt. Bisher gab es immer zwei, doch in Riesa könnte die Satzung geändert werden, sodass dann künftig eine Einzelspitze möglich sein wird. Bernd Lucke, Frauke Petry und zuletzt Jörg Meuthen waren zum Beispiel Bundessprecher – alle drei warfen zermürbt vom Kampf mit dem rechten Flügel hin. Wer will in der AfD das Amt nun haben?
Tino Chrupalla Seit dem Abgang Meuthens Ende Januar wird die AfD nur noch von ihm geleitet. Der Maler und Lackierer aus Weißwasser in der Oberlausitz steht zusammen mit Alice Weidel auch der AfD-Fraktion im Bundestag vor. Der 47-Jährige möchte Weidel in seinem Spitzenteam dabeihaben, sie steht mit auf einer Liste an Personalvorschlägen für den Vorstand, die Chrupalla kürzlich vorlegte. Insider sagen: Sollte es bei zwei Bundessprechern bleiben, würde Weidel wohl zähneknirschend auch für den Co-Vorsitz
kandidieren. Chrupalla jedenfalls wird nicht müde, aus der AfD eine Volkspartei machen zu wollen. Davon ist sie aber noch weit entfernt. Dem Vater von drei Kindern werden die Wahlverluste angelastet, auch ein immer wieder unklarer eigener Kurs. Zuletzt gab er sich eher russlandfreundlich. Im Bundestag sprach er sich gegen Waffenlieferungen in die Ukraine und gegen Sanktionen aus. Politisch steht er dem formal aufgelösten, rechtsextremistischen „Flügel“um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke nahe.
Norbert Kleinwächter Der Brandenburger Bundestagsabgeordnete hat erklärt, gegen Chrupalla antreten zu wollen. Der 36-Jährige, geboren in Augsburg, sitzt seit 2017 im Parlament, er ist Fraktionsvize und gilt innerhalb der AfD als gemäßigt. Kleinwächter selbst verortet sich in der „Alternativen Mitte“– obwohl manche Äußerungen aus der Vergangenheit
durchaus andere Deutungen zulassen. Ein Neuanfang sei notwendig, „im Bereich der Kommunikation, in unserem Stil, in unserem Auftreten, aber auch bezüglich der Fokussierung auf unsere Leitlinien, wofür wir wirklich stehen“, sagte der Lehrer kürzlich. Klar positionierte er sich gegen Russland. Bei der Wahl werde es knapp werden, sagte Kleinwächter. Intern heißt es, er sei „kein starker Gegner“für Chrupalla.
Nicolaus Fest Auch den 59-Jährigen dürfte Chrupalla nicht fürchten müssen. Der AfD-Europaabgeordnete will ebenfalls Bundessprecher werden. Ob er gegen Chrupalla antreten oder sich als Co-Vorsitzender bewerben will, ist offen. In einem Video sagte der Jurist Anfang Juni: „Wir brauchen einen Vorstand, der alle Seiten einbindet.“Und: „Ohne Kleinkrieg, ohne Überheblichkeiten oder Herabwürdigung.“Einige verbale Entgleisungen sind aber auch
vom Sohn des Historikers Joachim Fest bekannt.
Björn Höcke Erneut richten sich alle Blicke auf den Thüringer Landesvorsitzenden. Vor gut einem Jahr in Dresden prägte er den Parteitag. Diesmal wieder? Höcke hat bisher nur angedeutet, dass er für den Parteivorstand kandidieren könnte. Leider habe er in den vergangenen Jahren feststellen müssen, „dass die Institution Bundesvorstand in parteischädigender Art und Weise missbraucht wurde“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Voraussetzung einer Kandidatur sei allerdings, dass die Partei sich von der Doppelspitze verabschiede. Das Problem: Aus Sicht des Verfassungsschutzes wäre schon der Einzug des AfD-Rechtsauslegers in den Bundesvorstand ein weiterer Hinweis auf eine Entwicklung in Richtung Rechtsextremismus. Der 50-Jährige könnte sich daher anderweitig Einfluss sichern wollen. Geplant ist eine Kommission zur „Parteistrukturreform“, die den Bundesvorstand enger an Parteitagsbeschlüsse binden soll. Möglicher Leiter: Björn Höcke.